Einerseits mit Gazprom. Deutsche Politiker erfüllen Kreml-Strategie

Bis vor kurzem galt Manuela Schwesig in Deutschland als aufgehender Politstar. Als Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern führte er die Sozialdemokratie (SPD) im vergangenen Jahr zu Landtagswahlen. Es ist im Gespräch, dass sie künftig das Amt der Bundeskanzlerin übernehmen könnte.

Doch mit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine begannen die Aussichten für den 47-jährigen DDR-Politiker zu schwanken. Schwesig hatte sich bis zur Invasion nachdrücklich für die Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 2 eingesetzt, die die ohnehin schon hohe Abhängigkeit Deutschlands von Importen dieses wichtigen Rohstoffs aus Russland vertiefen würde.

In der vergangenen Woche wurden neue Details bekannt, die das Image von Schwesig und seinem Kabinett weiter verschmutzt haben. Der Premier muss Vorwürfe zurückweisen, er handele fast wie eine Marionette des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Die Welt am Sonntag und andere deutsche Medien haben Hinter-den-Kulissen-Dokumente einer Umweltstiftung erhalten, die im vergangenen Januar von der Schwesiger Landesregierung gegründet wurde. Der Großteil des Kapitals wurde jedoch von einer Tochtergesellschaft des russischen Gaskonzerns Gazprom, der Hauptinvestor des Nord Stream 2-Projekts ist, in die Stiftung investiert.

Enthüllende Quellen, die das Büro des Ministerpräsidenten nach Vorwürfen von Informationsaktivisten veröffentlichen sollte, bestätigten, dass die Umweltstiftung ein Instrument ist, das darauf abzielt, US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 zu umgehen. Vor allem die Umsetzung der Anforderungen dieses vom Kreml kontrollierten Unternehmens.

Die Affäre ist für Deutschland ein ominöses Beispiel dafür, wie naiv ihre Politiker bis vor Kurzem an das Putin-Regime herangegangen sind. Damit ist die Bundesrepublik heute stark von russischen Gaslieferungen abhängig.

Wöchentlich Spiegel war der Grundstein der Stiftung „eine der größten Schandtaten der deutschen Nachkriegsgeschichte“.

Urkunden belegen, dass Ministerpräsident Schwesig persönlich die Gründung der Stiftung beaufsichtigte. Er oder sie ist beispielsweise an der Auswahl eines CEO, Pressesprechers oder Projektleiters beteiligt. „Manuela will es zuerst sehen. Kannst du es ihr gleich zukommen lassen?“, heißt es in einer der veröffentlichten E-Mails des Ministerpräsidenten.

Im Januar 2021 habe sich das Schwesig-Büro den Unterlagen zufolge eng mit der Nord Stream 2 AG, einer Tochtergesellschaft von Gazprom, über die Angelegenheiten der Stiftung beraten. Die Unternehmensberater schickten die Pressestrategie des Unternehmens an Ministerpräsident Heiko Geue und die Energieministerin des Landes und schlugen „mögliche Argumente für ausgewählte Journalisten“ vor.

Ein Sprecher von Schwesig räumte ein, dass es Gespräche mit Nord Stream 2 gegeben habe. „Aber die Entscheidung liegt bei Landtag und Landesregierung.“

Der Antrag auf Gründung der Stiftung erfolgte jedoch im Namen Schwesigs. Unbestritten ist auch, dass sich der Ministerpräsident zuvor mit dem prominenten Gazprom-Lobbyisten Gerhard Schröder, dem ehemaligen Kanzler der SPD, getroffen hat. Zum Beispiel 2018 in einem Berliner Restaurant. 2020 sprachen sie erneut während des Musikfestivals Usedom. Nicht zuletzt seien laut Spiegel die Sanktionen gegen die im Bau befindliche Pipeline, die die USA seit 2019 verhängt haben, zu überwinden, gelten aber nicht für staatliche Stiftungen.

Im September 2020 speisten Schwesig und Schröder mit Nord Stream 2-CEO Matthias Warnig, einem ehemaligen ostdeutschen Stasi-Geheimpolizisten und Vertrauten des russischen Präsidenten. Schwesig und Warnig hatten sich wenige Wochen zuvor im Büro des Ministerpräsidenten in Schwerin ausgetauscht.

Laut deutschen Medien bedauert Schwesig nicht wirklich, dass der damalige Haupttreiber der Ereignisse um die Stiftung Energieminister Christian Pegel (SPD) war. Er arbeitet eng mit dem Büro des Premierministers zusammen. Beispielsweise in einer E-Mail vom 23. November 2020, Minister interpretiertdass der Nord Stream 2 AG in Sachen Gesetzgebung „drei Änderungen am Herzen liegen“. Am nächsten Tag verkündete Pegel begeistert, das Justizministerium habe sich zu der Gründung nicht geäußert.

Eine besondere Rolle spielte dabei Ex-Ministerpräsident Heiko Geue, der zuvor mit Gerhard Schröder sprach und später persönlicher Berater des heutigen Bundespräsidenten Schröder-Chef Frank-Walter Steinmeier wurde.

Schwesig hat immer bestritten, von Schröder oder anderen russischen Lobbyisten beeinflusst worden zu sein. Seine Ansichten haben jedoch wiederholt das Putin-Regime unterstützt. So stellte Putins Kritiker von Alexej Nawalny 2020 nach der Vergiftung fest, dass ein Giftanschlag zwar schnellstmöglich aufgeklärt, aber nicht dazu benutzt werden sollte, die Pipeline Nord Stream 2 herauszufordern.

Als SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz im Januar dieses Jahres erstmals einräumte, dass auf Druck der Westalliierten im Falle eines Angriffs auf die Ukraine Sanktionen gegen die Pipeline Nord Stream 2 verhängt werden könnten, äußerte Schwesig den Wunsch nach einer sofortigen Genehmigung der Pipeline . . Dazu sei es nicht gekommen, weil die Scholz-Regierung im Februar das Genehmigungsverfahren eingefroren habe.

Schwesig hörte erst nach Beginn der Angriffe auf die Ukraine auf, Russland zu unterstützen, und schloss sich seitdem der Kritik an Moskau an.

Politiker der Grünen, die auf Bundesebene Koalitionspartner der SPD sind, erwägen laut Bild, Ministerpräsident Mecklenburg zu verklagen. Inzwischen sieht es aber so aus, als würde Schwesig im Amt bleiben.

Senta Esser

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