KOMMENTARE: Wahlkampf 2021. Schlimmer kann es immer sein | Deutschland – aktuelle deutsche Politik. DW-Nachrichten auf Polnisch | DW

Wer den deutschen Wahlkampf mit spannenden Debatten, Temperament und prägnanten politischen Argumenten verbindet, wird von der aktuellen Situation bitter enttäuscht. Denn statt um das beste Argument zu kämpfen, schauen die Wähler auf den diesjährigen Wettbewerb, wer zum ersten Mal Kompromisse eingehen wird.

Erst nachdem Annalena Baerbock Kanzlerkandidatin der Grünen wurde, musste sie ihren Lebenslauf mehrmals Korrektur lesen, ihr bisher nicht offengelegtes Nebeneinkommen dem Bundestag melden und dann beim Plagiieren ihres neuen Buches ertappt werden. Die Glaubwürdigkeit des Kandidaten, der zuvor als Hoffnungsträger der Partei gefeiert wurde, wurde untergraben, und die Unterstützung für Baerbock in Meinungsumfragen ist eingebrochen.

Hoffnung in Kinderreimen

Der neue Wahlclip der Grünen soll verhindern, dass die Umfragewerte fallen. Das Ergebnis war jedoch eine der skandalösesten Wahlwerbungen der letzten Jahre, bei der die Grünen ein altes Volkslied für ihr Programm überarbeiteten.

Auch in den sozialen Medien gab es Kritik. Sexistische und rassistische Parolen tauchen in den Kinderreimen auf – das sind Vorwürfe gegen eine Partei, die sich eher als fortschrittlich vermarktet. Die einzigen dunkelhäutigen Menschen im Film sind die Sportler und Handwerker. Und auf dem Grill steht – natürlich – natürlich ein Mann. Das einzige, was die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock und ihr Co-Vorsitzender Robert Habeck in diesem Video gut machen, ist, dass sie es nicht selbst singen.

Vom Rektoranwärter zum Clown

Dazu kommt der CDU/CSU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, der lange Zeit Meinungsumfragen anführt und vielen als der nächste Kanzler gilt. Das ist jetzt eine unmögliche Vision. Am katastrophalsten war sein Lachen bei seinem Besuch in einem Hochwassergebiet, als der Bundespräsident zu Katastrophenopfern sprach.

Kommentarautorin Melina Grundmann

Die CDU macht auch peinliche Videos. Darin ist Laschet in einem Bergwerksoutfit in einem Bergwerk dargestellt. Aber nur er hatte Kohlenstaub im Gesicht. Hat er es verschmiert, damit es authentischer aussieht? Oder hat er vielleicht einfach nur einen schlechten PR-Berater? Eines ist sicher: Laschet sieht nicht echt oder ernst aus, aber es ist einfach nur peinlich.

Vergessenes Geschäft

Der sozialdemokratische Kandidat Olaf Scholz wiederum hat einen außergewöhnlichen Wahlkampf ohne Skandal hinter sich. Ein paar Fragen zu seiner Rolle im Wirecard-Skandal, Deutschlands größtem Finanzskandal, und im riesigen Cum-Ex-Steuerbetrug. Es gab keine Skandale, die seinem Ruf schadeten.

Auch sonst hat der etwas ruhige und wenig charismatische Scholz bisher nichts falsch gemacht. Fast die Hälfte der Deutschen wollte, dass Scholz Kanzler wird, und er verhalf seiner SPD zu immer höheren Rängen, an die bis vor kurzem noch niemand gedacht hatte. Verglichen mit der Schande von Laschet und Baerbock schien Scholz ein Staatsmann zu sein. Aber was sagt man über Wahlkämpfe, wenn es nicht schon eine Schande ist, zu führen?

historischer Moment

Hatten Baerbock und Laschet schlechte Berater? Haben sie sie nur nervös gemacht? Im Wahlkampf glänzte jedoch Olaf Scholz, dem im Kanzlerrennen vor sechs Monaten von niemandem eine Chance verwehrt wurde. Dank der prägenden Charaktereigenschaften – sich von nichts und niemandem stören lassen und nicht zu viel sagen. Nicht auffällig oder ungeduldig – das scheint seine Devise zu sein.

Fest steht jedoch: Alle drei Kandidaten – Laschet, Baerbock und Scholz – werden um große, wenn nicht gar historische Chancen vertan. Nie zuvor hatten drei verschiedene Parteien eine echte Chance, gleichzeitig für ihre Kanzlerin zu kandidieren. Es erwarten Sie emotionale Debatten mit starken und inhaltlichen Meinungsverschiedenheiten. Stattdessen gibt es „Top-Bugs“. Oder bei Scholz – ohne Aufmerksamkeit und Langeweile.

Adelmar Fabian

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