Deutschland: mehr Coronavirus-Infektionen. „Sommerfluten sind vorhersehbar“ | Lebe in Deutschland. Gesellschaft, Lifestyle, Neugier | DW

2020 und 2021 bringt der Sommer Erleichterung von der Pandemie. In diesem Jahr jedoch ist die jüngste Verschlechterung der Situation besorgniserregend. Die Fallzahlen steigen, das Robert-Koch-Institut (RKI) warnt vor den Folgen. Wissenschaftler und Ärzte beobachten die Entwicklungen in diesem Sommer, im dritten Jahr der Pandemie, genau.

Aufgrund steigender Fallzahlen rief Gesundheitsminister Karl Lauterbach zur freiwilligen Verwendung von Masken in geschlossenen Räumen auf.

„Die Sommerflut ist vorhersehbar“, twitterte er am Dienstag (14. Juni 2022). Das Tragen einer Maske im Haus und die vierte Impfung sind das „beste Gegenmittel“. „Die vierte Impfung schützt vor schweren Erkrankungen und reduziert das Infektionsrisiko für mehrere Monate, auch wenn sie nicht vollständig ist. Das hilft jetzt vielen Menschen“, betonte der Minister.

In Deutschland gibt es trotz des warmen Wetters derzeit eine steigende Zahl von Coronavirus-Fällen. Am 14. Juni stieg die Sieben-Tage-Zahl pro 100.000 Einwohner landesweit auf 447,3 gegenüber 331,8 am Vortag, wobei 105.840 neue Fälle registriert wurden. 107 Menschen starben innerhalb von 24 Stunden.

Laut Robert-Koch-Institut verzeichnen vor allem die Omicron-Unterarten BA.4 und BA.5 in letzter Zeit ein starkes Wachstum. In beiden Fällen verdoppelte sich der Anteil: BA.4 auf 2,1 Prozent. und BA.5 bis 10 Prozent.

Warum steigt die Zahl wieder?

Die steigenden Fallzahlen sind Experten zufolge auf mehrere Gründe zurückzuführen. Eine davon ist die in Deutschland zunehmend verbreitete Coronavirus-Subvariante BA.5 omicron.

„Die BA.5-Subvariante ist infektiöser als alle bisherigen Varianten, kann sich also auch bei für das Virus ungünstigen Sommerbedingungen ausbreiten“, erklärt der Epidemiologe Timo Ulrichs von der Akkon University of Humanities in Berlin.

Darüber hinaus kann die BA.5-Subvariante nach derzeitigem Kenntnisstand „auch dann außer Kontrolle geraten, wenn diese Person anderen Varianten der Omicron-Variante ausgesetzt war“, warnt er.

Auch vollständig geimpfte Menschen sind nicht vollständig immun gegen eine Ansteckung. – Dies bedeutet, dass eine große Anzahl von Trägern dieser Untervariante ihre Ausbreitung beeinflussen kann – betont der Epidemiologe.

Viele Experten sagen voraus, dass nach einem Anstieg der Coronavirus-Fälle in Ländern wie Portugal seine BA.5-Subvariante bald auch in Deutschland dominieren wird. Laut aktuellem Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts liegt der BA.5-Anteil aktuell bei 10 Prozent, die Analyse basiert aber auf Daten von vor zwei Wochen und die Zahl dürfte laut Carsten Watzl von der Deutschen Gesellschaft deutlich höher liegen der Immunologie.

Andererseits hat sich in Deutschland das Verhalten vieler Menschen grundlegend geändert. Professor Hajo Zeeb vom nach Leibniz benannten Forschungsinstitut für Prävention und Epidemiologie in Bremen weist auf ihre viel größere Mobilität und viel häufigeren Kontakt als Folge der Aufhebung der meisten Beschränkungen in der Pandemie sowie der Trageverweigerung der meisten Menschen hin Schutzmasken jeden Tag. Die zunehmende Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland ist auch darauf zurückzuführen, dass viele Menschen schon lange geimpft sind. Infolgedessen „nimmt die Immunität im Durchschnitt ab, bietet aber immer noch Schutz vor schweren Krankheiten“, sagte Hajo Zeeb.

Mobilität, häufiger Kontakt und das Entfernen der Maske tragen zum Auftreten der nächsten Welle bei

Kommt eine neue Fallwelle?

Immunologe Carsten Watzl ist sich sicher: In diesem Jahr wird es keine einstelligen Infektionszahlen wie im vergangenen Sommer geben. „Die 7-Tage-Infektionsrate wird in die Hunderte gehen, wie wir jetzt sehen, weil die Omicron-Variante hoch ansteckend ist“, sagte er.

Carsten Watzl ging davon aus, dass etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung noch nicht mit Omicrons infiziert war. Er betonte, dass „Impfstoffe, insbesondere solche, die seit langem eingesetzt werden, nicht sehr gut vor einer Infektion schützen, sodass die BA.5-Subvariante das Potenzial hat, eine große Anzahl von Menschen zu infizieren.“ Ob omikron BA.5 die Inzidenzrate von 1.000 Fällen pro 100.000 Einwohner und Woche überschreiten wird, ist derzeit noch schwer abzuschätzen. „Allerdings besteht die Möglichkeit einer Sommerwelle“, sagt der Immunologe.

Auch Hajo Zeeb wollte sich nicht dazu äußern, wie hoch die Welle der Coronavirus-Fälle im Frühsommer steigen könnte. Allerdings sollte man nicht mit so vielen Fällen rechnen wie in Portugal, wo es derzeit die meisten Fälle in ganz Europa gibt.

Wie kann man die Wellen bremsen?

Nur mit schnellem und radikalem Handeln, sind sich Experten einig. „Aus meiner Sicht gibt es derzeit keine Möglichkeit eines vollständig kontrollierten Eingriffs, außer durch sehr drastische Maßnahmen“, sagt Professor Hajo Zeeb.

Besonders gefährdete Personen, wie ältere Menschen, sollten aktiv dazu ermutigt werden, sich erneut impfen zu lassen, um ihren Infektionsschutz zu erhöhen.

Der Epidemiologe Timo Ulrichs hingegen glaubt, dass nur die Wiedereinführung von Schutzmaßnahmen, wie etwa der flächendeckende Einsatz von Schutzmasken, aktuelle Trends bremsen kann.

Der Immunologe Carsten Watzl weist jedoch darauf hin, dass es derzeit keine legale Möglichkeit gibt.

Sommerwelle des Coronavirus in Deutschland

Noch immer gibt es in Deutschland viele Menschen, die den Impfstoff nicht erhalten haben

Wie drastisch ist der aktuelle Anstieg?

Auch wenn die aktuellen Zahlen zu erhöhter Wachsamkeit mahnen, sehen Experten keinen Grund zur Panik. Intensivmediziner Stefan Kluge vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf spricht nun von einem „moderaten“ Anstieg der Infektionszahlen.

„In der aktuellen Situation geht es in erster Linie um die Krankheitsprävention, nicht um die Infektion selbst. Daher sei die Sommerflut zunächst kein Grund zur Sorge, sagt Carsten Watzl. Es ist jedoch wichtig, sich weiterhin zu schützen, insbesondere diejenigen, die einem hohen Risiko ausgesetzt sind, sich damit zu infizieren.

Professor Zeeb sagte, dass es in Zukunft mehr Infektionen geben werde, aber da die Untervariante von Omicron BA.5 einen ähnlichen klinischen Weg wie frühere Omicron-Varianten hat, ist die dadurch verursachte Krankheit in den meisten Fällen normalerweise mild. Allerdings, so Zeeb, könne es bei deutlich steigenden Infektionszahlen zwar zu mehr Krankenhausaufenthalten und mehr Todesfällen kommen, das deutsche Gesundheitssystem werde seiner Meinung nach aber weniger belastet.

Auch Stefan Kluge hält bei normalen Krankenstationen und Intensivstationen aufgrund des eher milden Krankheitsverlaufs durch die omicron-Variante eine nennenswerte Belastung des Gesundheitssystems in diesem Sommer für unwahrscheinlich. Die große Zahl an infizierten Patienten bedeutet jedoch eine erhebliche Mehrbelastung auf den üblichen Krankenhausstationen und vor allem für das Pflegepersonal.

Auch Carsten Watzl erwähnt mögliche Betriebsausfälle durch viele kleinere Infektionen.

Fürsorglich oder vorsichtig?

Beim individuellen Verhalten verweisen Experten wiederum auf das Prinzip der Eigenverantwortung. Hajo Zeeb prognostiziert, dass die Zahl der Infektionen in den kommenden Wochen steigen und sinken wird, bevor sie im Herbst und Winter wieder ansteigt.

Daher sollte jedem klar sein, dass „die Coronavirus-Pandemie immer noch unter uns ist, was bedeutet, dass es keine 100-prozentige Sicherheit gibt“ – betonte der Experte.

Da die meisten der bisherigen Regeln und Einschränkungen entfallen, muss nun jeder an seinen eigenen Schutz denken, vor allem dort, wo viele Menschen unterwegs sind: in Innenräumen und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Idealerweise – Schutzmaske tragen und nachimpfen.

(DPA/Gefällt mir)

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Eckehard Beitel

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