Wird Deutschland die Ostpolitik wirklich überdenken?

Der aus der ehemaligen DDR stammende Politikwissenschaftler Andreas Umland analysiert hier ein Buch, das nach dem Ausbruch des großen Krieges Russlands in der Ukraine in Deutschland für Aufsehen sorgte. Dieses Buch widmet sich den Beziehungen zwischen der Ukraine und Deutschland im Kontext der Ostpolitik nach 1991. Dieses Buch ist keine rein akademische Studie, sondern wurde von der Journalistin Sabine Adler signiert (Die Ukraine und wir: Deutschlands Versagen und die Lehren für die Zukunft, Berlin, Ch.Links Verlag, 2022) richtet sich an ein breites Publikum. Und kann zur Erklärung vieler Debatten auch außerhalb Deutschlands hilfreich sein. Darin heißt es, wie politische Nachlässigkeit, Lobbyismus und Doppelmoral zu einem grundlegenden Fehler in Putins Russland-Analyse beigetragen haben.

Veröffentlichung des Buches der prominenten deutschen Radiojournalistin Sabine Adler Die Ukraine und wir: Deutschlands Versäumnisse und Lehren für die Zukunft, im August 2022 in Berlin, war ein Ereignis im deutschen Geistesleben. Die Gründe für Adlers Buchbedenken liegen auf der Hand: Russlands eskalierender Krieg in der Ukraine seit Februar 2022 hat Deutschlands politischen und wirtschaftlichen Ansatz gegenüber Osteuropa in Frage gestellt. Drei Jahrzehnte lang wurden die Interessen und Anliegen der Ukraine, des zweitgrößten Landes Europas, von Berlin teilweise ignoriert, während die politische und wirtschaftliche Elite Russlands sie weitgehend hofiert hat.

Adler geht den historischen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Ursachen des grundsätzlichen Versagens der deutschen Politik gegenüber dem postsowjetischen Raum zwischen 1991 und 2021 nach. Seine Analyse konzentriert sich nicht nur auf die Ursachen und den Beginn des großen Krieges im Jahr 2022, sondern auch auf die bisherige Rolle Deutschlands gegenüber dem von Russland besetzten Land. Als einer der langjährigen deutschen Osteuropa-Experten erklärt er, wie politische Nachlässigkeit, Lobbyismus, Doppelmoral und verlogene Formen des Pazifismus seitens Deutschlands indirekt zum Angriff Moskaus auf die Ukraine beigetragen haben.

Daher stellte Adlers kritische Auseinandersetzung mit der Berliner Ukraine-Politik im Jahr 2022 damals und noch heute einen Meilenstein in der öffentlichen Diskussion in Deutschland dar. Zwar gab es bereits eine kritische Bewertung der übermäßigen Beurteilung und des Missverständnisses Berlins gegenüber Russland sowie der zu nachsichtigen Haltung Moskaus gegenüber der imperialen Politik. Zahlreiche Studien haben Geschichte geschrieben, etwa die von Gerd Koenen, Thomas Urban oder Rüdiger von Fritsch.

Koenens einflussreiches Buch wird 2022 mit einem neuen Vorwort nachgedruckt. Urbans Studie erschien sechs Monate vor Adlers Buch, wurde kurz vor der großen russischen Invasion fertiggestellt und kam im März 2022, drei Wochen nach Kriegsbeginn, in die Buchhandlungen. Rüdiger von Fritsch ist ein ehemaliger deutscher Botschafter in Moskau, dessen Buch im Mai 2022 veröffentlicht wurde und der sich seitdem zu einem der produktivsten Kommentatoren zum Krieg Russlands gegen die Ukraine in deutschen Medien entwickelt hat.

Nach dieser berühmten Ankündigung wurden mehrere wichtige neue Studien verschiedener Journalisten veröffentlicht Zeitenwende (Wechsel der Zeiten) von Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar 2022 und Veröffentlichung von Adlers Buch im August 2022. Zu den wichtigsten und tiefgreifendsten Zusatzstudien zählen in chronologischer Reihenfolge ihrer Veröffentlichung die von Michael Thumann, Reinhard Bingener und Markus Wehner sowie Winfried Schneider-Deters .

Während andere Werke vor und nach Adler wichtige Informationen lieferten, bleibt seine Studie aus den Jahren 2022 und 2023 einer der wichtigsten Beiträge zur aktuellen Neugestaltung der sogenannten Ostpolitik in Deutschland nach dem Ende des Kalten Krieges. Die Haltung Deutschlands gegenüber Osteuropa wiederum ist einer der bedeutendsten Faktoren der internationalen Beziehungen in Europa. Es ist in der Vergangenheit passiert, passiert noch heute und wird wahrscheinlich auch in der Zukunft passieren. Es ist eine Beziehung, die die Richtung Europas in den kommenden Jahren mitbestimmen soll.

Adler ist (wie ich) Ostdeutscher, kein Westdeutscher, mit viel Erfahrung im Leben im ehemaligen Sowjetblock. Vor dem Hintergrund der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik (DDR) präsentiert Adler eine etwas andere Erfahrung und Perspektive als die Westdeutschen auf Russland, die Ukraine und die Rolle Deutschlands in Osteuropa. Mit seiner langjährigen und leidenschaftlichen Skepsis gegenüber Putin und seiner ausdrücklichen Sympathie für die Ukraine und andere ehemalige Sowjetrepubliken schließt sich Adler einer Reihe anderer ostdeutscher Analysten in Osteuropa an. Dazu gehören unter anderem der verstorbene Werner Schulz, langjähriger Abgeordneter der Deutschen Grünen im Deutschen und Europäischen Parlament, Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Jörg Forbrig vom German Marshall Fund (GMFUS) und André Härtel von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Wie diese produktiven Osteuropa-Experten war Adler seit mehr als zwanzig Jahren einer der ersten deutschen Analysten in der postsowjetischen Welt, die sich durch ihre schriftlichen Veröffentlichungen und ihre mündlichen Interventionen auf den jüngsten radikalen Wandel in der Haltung Berlins gegenüber Russland und der Ukraine vorbereiteten.

Adlers Buch wird für den Nachdruck für ein breiteres Publikum vorbereitet; Es erscheint in englischer Sprache beim Verlag Ibidem Press in Stuttgart und wird außerhalb Europas von Columbia University Press vertrieben. Diese Übersetzung wird es einem interessierten Publikum außerhalb Deutschlands ermöglichen, zu sehen, wie die deutsche Ostpolitik funktioniert. Allerdings sollten nicht-deutsche Leser bedenken, dass Adlers Buch ursprünglich nicht für ausländische, sondern für deutsche Leser geschrieben wurde. Es richtet sich insbesondere an die politische und geistige Elite der Bundesrepublik und insbesondere an diejenigen, die in Berlin leben oder arbeiten.

Als kritischer Rückblick auf die deutsche Politik gegenüber Russland und Mittel- und Osteuropa ist Adlers Buch sicherlich nicht das einzige neuere deutsche Werk seiner Art, das eine Übersetzung in andere Sprachen verdient und ein Publikum außerhalb Deutschlands findet. Allerdings ist Adlers Studie nach wie vor die einzige Untersuchung, die sich speziell auf die ukrainisch-deutschen Beziehungen im allgemeineren Rahmen der Berliner Ostpolitik konzentriert. Er verfasste keine wissenschaftliche Studie, sondern ein Buch, das sich an ein breiteres Publikum richtete.

Daher sollte Adlers faszinierende Erkundung auch nicht-deutsche Leser erreichen, die sich für die Entwicklung der Position Berlins gegenüber Kiew und Moskau interessieren. Es ist eine eindrucksvolle Illustration, Dokumentation und Interpretation der jüngsten deutschen Debatten, Konzepte und Politiken in Bezug auf die Ukraine, die Sicherheit Osteuropas und die russische Bedrohung. Wer Berlins vergangene, gegenwärtige und zukünftige Beziehungen zu Kiew verstehen möchte, sollte Adlers Buch lesen.

Aus dem Englischen übersetzt und rezensiert von Russischer Tisch

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Senta Esser

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