Mittelklassemodell feiert 50-jähriges Jubiläum. Passat rettete Volkswagen und lehrte ihn, anders zu denken

Heute kennen wir Volkswagen überall als starke und unerschütterliche Marke. Vor fünfzig Jahren war nur das erste wahr. In Europa wimmelte es von Käfern mit Heckmotor, doch deren Veralterung konnte nicht aufrecht erhalten werden, die Verkaufszahlen gingen zurück und der Hersteller stand kurz vor dem Bankrott. Gerettet wurde er durch einen Passat von 1973, der bis heute ein Armutszeugnis für Herdendenken ist. Es wurde von Leuten entworfen, die anders dachten, weil sie nicht von Volkswagen waren.

Der heutige Passat ist ein sehr unkonfrontatives und absichtlich langweiliges Auto. Es ist eine Schande, über die aktuelle Position des Konzerns zu sprechen, der ein Viertel des europäischen Marktes abdeckt. Doch der Weg vom Nachkriegselend zur heutigen Gewissheit war alles andere als geradlinig. Andererseits gibt es Zeiten, in denen ganze Unternehmen zusammenbrechen können.

Einerseits gibt es seit fast drei Jahrzehnten eine Käfer-Monokultur. Es erfüllte die Nachfrage der Nachkriegszeit nach einfachen, günstigen und zuverlässigen Autos so gut und so lange, dass die Manager glaubten, es würde ewig halten.

Dies wurde durch den enormen Erfolg des Käfers in den Vereinigten Staaten bestätigt. Zehntausende in Deutschland dienende amerikanische Soldaten machten ihm kostenlose Werbung. Als sie nach Hause zurückkehrten, sprachen sie über ein zurückhaltendes und preiswertes Auto, das auch durch seinen Stil besticht. 1968 machten die Exporte in die USA 40 Prozent des Volkswagen-Geschäfts aus.

Nicht, dass die Weiterentwicklung in Wolfsburg völlig zum Stillstand gekommen wäre. In zwanzig Jahren fertigten verschiedene Abteilungen siebzig Prototypen, doch eines hatten sie alle gemeinsam: luftgekühlte Heckmotoren. Eine auffällige Serienlimousine und Mittelklasse-Kombi, Typ 3 und Typ 4.

Mittlerweile ist die technische Entwicklung einen Schritt weiter gegangen und die Konkurrenz produziert Perle für Perle. Opel Kadett, Renault 12 und 16, Fiat 128 und 131, Alfa Romeo Alfasud, Saab 99… Autos, die geräumiger, leiser, agiler, leistungsstärker und praktischer sind. Der Käfer und seine Brüder waren einfach billig, was im wohlhabenden Westeuropa an Attraktivität verloren hatte. Das Management ist jedoch nicht in der Lage, grundlegende Änderungen herbeizuführen.

Nach 1971 kam es bei Volkswagen zu ernsthaften Schwankungen, und wenn das Unternehmen wirklich darauf fixiert wäre, einen eigenen Heckmotor zu entwickeln, würden wir heute wahrscheinlich nur noch aus Museen und Büchern davon erfahren. Gerettet wurde er durch die Expansion der Vorjahre, als er aufgrund der Produktionskapazitäten in Ingolstadt die Marke Audi kaufte.

Letzterer entwickelte einen völlig anderen Ansatz zum Frontantrieb, wofür es nur einen Grund gab: Dort arbeiteten andere Leute als in Wolfsburg.

Gleichzeitig dürfte Audi längst der Vergangenheit angehören. Das ursprüngliche Auto-Union-Werk unter Saxon Cvikov befand sich in der sowjetischen Besatzungszone und die Ausrüstung wurde als Teil der Kriegsbeute mitgenommen. Mehreren Mitarbeitern gelang es, Dokumentationen auszustellen und zunächst ein Ersatzteillager in Ingolstadt aufzubauen. Dann begannen sie mit der Produktion des Vorkriegstyps F9 DKW.

1958 verkauften die ursprünglichen Eigentümer das Unternehmen an Mercedes, das einerseits nach einer freien Fabrik für die Produktion von Transportern suchte, andererseits aber in Fahrzeugen mit Frontantrieb eine attraktive Alternative sah.

Er schickte mehrere fähige Männer in die Entwicklung von Audi, ließ sie 1963 ein neues DKW F102-Modell bauen und zwei Jahre später ersetzte er den Zweitaktmotor durch einen neuen Viertaktmotor. So entstand der DKW F103, genannt „Audi Typ“.

Damit überprüfte Mercedes sein Engagement bei der Auto Union und verkaufte das Unternehmen an Volkswagen. Einer der Händler verkaufte übrigens ein veraltetes Modell mit Heckmotor und einen weiteren modernen Audi F103.

Die Leitung des Audi-Technikteams verbot jedoch eine Weiterentwicklung. Der Produktionsstandort soll lediglich für die weitere Expansion von Brouk genutzt werden. Chefkonstrukteur Ludwig Kraus war jedoch unbeeindruckt und zeigte 1968 schockierten Managern den fertigen Audi 100. Er basierte auf dem F103-Chassis, war jedoch größer und wurde von einem völlig neuen OHC-Motor angetrieben.

Die Direktoren genehmigten schließlich die Produktion von „Hunderten“ und die Entwicklung des kleineren Audi 80, der 1972 fertiggestellt wurde. Und als der Frontantrieb bei den Kunden immer beliebter wurde und die Technologie zuverlässig wurde, wurde ein Jahr später der Audi 80-Klon der erste Volkswagen Passat. Die Produktion begann vor genau fünfzig Jahren, am 14. Mai 1973.

Neben seinem modernen Konzept und der praktischen Raumnutzung trägt auch das italienische Design-Flair von Giorgietto Giugiaro zu seiner Beliebtheit bei.

Noch heute wird der Passat mit Front- oder Allradantrieb angeboten. Der unmittelbare Erfolg führte auch zur Entscheidung für den Golf, mit dem Volkswagen eine ganz andere Geschichte schrieb.

Zu Beginn dieser Kehrtwende waren es jedoch Passat und seine fähigen Designer, die sich nicht an die Erfolgsschablone des Unternehmens binden ließen und bereit waren, die Idee auf eigenes Risiko voranzutreiben.

Reinhilde Otto

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