In Deutschland, wenn Senioren davon träumen, den Staat zu stürzen – rts.ch

Die Verhaftung einer Person mittleren Alters im Dezember, die beschuldigt wird, einen Staatsstreich in Deutschland geplant zu haben, hat die Radikalisierung einiger Senioren deutlich gemacht. Die Launen des Lebens und die Exposition gegenüber Verschwörungstheorien im Internet können diesen Fall in den Extremismus befeuern, analysieren Spezialisten von Tout Un Monde.

Im Dezember vereitelte die deutsche Polizei Pläne, das Parlament anzugreifen, die Regierung zu stürzen und Politiker zu entführen. Sicherheitskräfte nahmen 25 Personen fest. Weitere hundert Menschen wissen davon und werden das Projekt unterstützen.

Die Identität der Verschwörer war schockiert: Sie waren ein Arzt, ein Soldat, ein Anwalt, ein Aristokrat. Alle scheinen in der Gesellschaft etabliert zu sein, die meisten sind über fünfzig Jahre alt.

Der Anführer der Gruppe, Prinz Heinrich XIII., war über 70 Jahre alt. Seine rechte Hand ist ein 69-jähriger ehemaliger Fallschirmspringer. Ein 58-jähriger Richter, bis letztes Jahr Mitglied der rechten AfD, soll Dissidenten den Zugang zum Parlament ermöglichen.

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Mehrere Motive

Alle diese Personen wurden verdächtigt, Mitglieder der „Reichsbürger“-Bewegung zu sein, einer Gruppe, der sich die Geheimdienste anschlossen. Ihre Mitglieder leugnen die Existenz der Bundesrepublik, lehnen ihre Gesetze und sogar ihre Ausweisdokumente ab und verweigern die Zahlung ihrer Steuern. Es ist auch eine sehr heterogene Gruppe, wie der Politikwissenschaftler Dierk Borstel, Professor an der Fachhochschule Dortmund, erläutert.

„Die Recherchen zeigen, dass ihre Motivationen sehr unterschiedlich waren. Es gab zweifellos eine politische Motivation: Fortdauer des Reiches, Gründung des Vierten Reiches, Aufstieg des Nationalsozialismus, Monarchie oder Reich“, stellt der Radikalisierungsspezialist fest. „In anderen Ländern sehen wir wirtschaftliche Motivation, die Möglichkeit, Geld zu verdienen, und sogar viel Geld, und wir haben Menschen, die gerne Chaos stiften“, fügte er hinzu.

Im Gegenteil, das sind Menschen, in deren Leben etwas Ernstes passiert ist: Krankheit, wirtschaftlicher Niedergang, Familienzerfall… Eine solche Krisensituation kann die Suche nach einer neuen Richtung, einem neuen Lebenssinn auslösen.

Benjamin Winkler von der Amadeu Antonio Stiftung in Leipzig

Benjamin Winkler von der Amadeu Antonio Stiftung in Leipzig, die gegen rechtsextreme Parteien, Rassismus und Antisemitismus kämpft, analysiert den Zusammenhang zwischen dem mittleren Alter und dieser extremen Form des politischen Engagements.

„Wenn wir von Reichsideologie sprechen, sprechen wir von Radikalisierung in der zweiten Lebenshälfte. Das heißt, der typische Weg zur Radikalisierung ist keineswegs, dass wir ‚immer so dachten‘, sondern dass sie sind Menschen, in deren Leben etwas Ernstes passiert ist: Krankheit, Wirtschaftskrise, Familienzerfall… Eine solche Krisensituation kann die Suche nach einer neuen Orientierung, einem neuen Sinn im Leben auslösen.“

„Wachsende Szene“

Die Reichsbürgerbewegung ist nicht ganz neu: Geheimdienste sprechen derzeit von 15.000 potenziell gefährlichen Menschen.

Der in den sächsischen Landtag gewählte Theologe Franck Richter beobachtet mit Sorge das seit der Pandemie zunehmende Phänomen der Radikalisierung rund um die Reichsbürger. „Wir haben es ganz klar mit einer sich entwickelnden Szene zu tun, wie wir im Allgemeinen in einer wachsenden Gesellschaft von Gruppen sehen, die rationale öffentliche Kommunikation meiden, die wir nicht mehr erreichen können, vielleicht auch, weil die Welt zu komplex geworden ist“, sagte er.

Verschwörungstheorie

Es gibt einen Zusammenhang zwischen dieser ältesten Radikalisierung der Reichsbürger und der Verbreitung von Verschwörungstheorien während der Pandemie oder seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine. Wir haben sogar beobachtet, dass die Ältesten, die nicht mit dem Internet aufgewachsen sind, eher zu Verschwörungstheorien neigen. Vor allem seien sie resistenter gegenüber Deradikalisierungsprogrammen, stellt Benjamin Winkler fest.

„Wir haben in Deutschland so viele Deradikalisierungsprogramme, zum Beispiel für Jugendliche, weil wir Anlaufstellen haben, in Schulen, in Sportvereinen“, betonte er. „Und Erwachsene, ab 40? Die können wir nicht mehr so ​​einfach erreichen. Vielleicht noch in der Weiterbildung, manche beschäftigen sich damit, vor allem die Gewerkschaften nehmen Sie an diesem politischen Bildungskurs teil“, sagte er.

Waren Reichsbürgers fantastische Großeltern harmlose Verrückte? Für die internen Nachrichtendienste wie auch für die Deradikalisierungsvereine stellt das Projekt Reichsbürger bewaffneter Aufstand ein durch die Gesundheitskrise verschärftes Phänomen dar, nämlich die Radikalisierung entwurzelter Eltern.

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Radiothema: Nathalie Versieux

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Senta Esser

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