Frauen als zentrales Thema der Weltsynode / Christnet.eu – Nachrichten, Meinungen, Theologie, Kultur

/ 28.11.2022


Wiener Theologin Regina Polová
Autor: www.katolisch.de

Die Wiener Pastoraltheologin Regina Polová ist Teil des nationalen Synodenteams der Katholischen Kirche Österreichs. Er nahm am Synodalprozess teil und arbeitete an der österreichischen Nationalsynthese für die Weltsynode mit. In einem Interview mit dem Portal Katholisch.de sprach er über den Verlauf des Prozesses in Österreich und seine Ergebnisse. Er erklärt auch, warum er ein Verfechter klarer Vorschriften in der Pastoraltheologie ist und warum die Priesterweihe von Frauen für ihn keine Priorität hat.

Frau Polová, eine österreichische Zeitung beschrieb Sie als „Mover“ der Bischöfe. Ist das wahr?

Diese Worte sind nicht von mir. Und ich denke auch, dass das nicht alle österreichischen Bischöfe so sehen. Ich möchte eine Inspiration für meine gesamte Kirche sein.

Sagen Sie bewusst „meine Kirche“?

Ja, weil ich in dieser Kirche Christ geworden bin und ihr viel zu verdanken habe. Dank meiner Arbeit erhalte ich Einblicke in viele seelische und spirituelle Lebenserfahrungen. Für mich sind sie die „Schätze der Kirche“. Und diesen Schatz möchte ich weitergeben. Gleichzeitig kann ich mich distanzieren und anfangen, über etwas Heißes und Schwieriges zu sprechen.

Sprechen Sie über Schwierigkeiten. Ich erinnere mich an den Skandal um den sexuellen Missbrauch des ehemaligen Wiener Erzbischofs Hans Hermann Groër. Wie haben Sie es damals erlebt?

Daran erinnere ich mich sehr gut. Es geschah 1995 und ich arbeitete damals im Jungscharbüro der Erzdiözese Wien, einem kirchlichen Verein für die Arbeit mit Kindern. Ich war bei der Arbeit, als die Nachricht im Radio kam. Der damalige Wiener Erzbischof Groër soll Amtsträger missbraucht haben. Mir fiel die Kinnlade herunter, als ich das hörte. Ich bin überrascht. Ich weiß, dass es Missbrauchsopfer in der Kirche gibt, aber die Täter können auch Bischöfe sein, das ist mir neu. Zufällig stand neben mir im Büro eine Person, deren Namen ich jetzt nicht nenne, und fing an zu lachen. Ich fragte, was daran so lustig sei. Der Mann antwortete: „Jeder kennt Groër.“ Ich frage: „Und wie kann so jemand Bischof werden?“ Es sagt viel über die Kirche und ihre Struktur aus.

Was denkst du?

Ich war überrascht, dass viele Menschen von den Fällen wissen sollten und dass niemand versucht hatte, Groërs Ordination zu verhindern. Diese Kultur der Gleichgültigkeit haben wir heute noch in der Kirche. Missbrauch ist kein individuelles Problem, sondern ein systemisches. Dazu gehört auch die falsch verstandene Gefolgschaft, die den Täter im Namen vermeintlicher Barmherzigkeit schützt. Dank dieses Skandals war es jedoch möglich, in Österreich früher als beispielsweise in Deutschland mit der kirchlichen Arbeit zu beginnen.

Es ist fast dreißig Jahre her. Was wurde seitdem getan?

Seitdem haben wir die 3. Auflage der „Wahrheit macht euch frei“ Rahmenordnung mit Maßnahmen, Regeln und Richtlinien gegen Gewalt und Missbrauch, diözesanen Ombudsstellen etc. Derzeit muss jede Gemeinde einen Missbrauchsbeauftragten haben. Kindercamps müssen einen Präventionsplan vorlegen. Nichts davon ist in meiner Jugend passiert und das ist die Folge des Schocks durch die damaligen Skandale.

Sie beteiligen sich am synodalen Reformprozess in Österreich. Das Thema Belästigung ist dort wirklich thematisiert. Ist es erfüllt?

Es wurde überhaupt nichts erreicht. Aber wir sind nicht mehr am Start. Wo wir aber erst einmal abseits von Deutschland stehen, ist die Frage des Zugangs zu gleichgeschlechtlichen Paaren und Menschen mit unterschiedlicher sexueller Identität in der Kirche. Hier haben wir noch viel zu tun.

In Deutschland fand die Synodenreise parallel zum weltweiten Synodenprozess statt. Beim Grundtext des Forums „Leben in einer erfolgreichen Beziehung“ flossen sogar Tränen. War der Synodalprozess in Österreich genauso emotional?

Nicht. Unser synodaler Prozess wurde sehr unterschiedlich interpretiert und durchgeführt. Jede Diözese kann entscheiden, wie sie damit umgeht. Letztlich ist es jedem Bischof selbst überlassen, wie der Prozess abläuft. In einigen Diözesen verschickt das Ordinariat lediglich die Fragebögen oder es gibt bestimmte Angebote und Pressekonferenzen, bei denen die Ergebnisse der Fragebögen präsentiert werden. Andere Diözesen arbeiten intensiv im Sinne der synodalen Methode und entwickeln umfassende Vorschläge. Einige Gläubige sind sehr aktiv und andere sind sehr desillusioniert von der inneren Situation in der Kirche. Manche wollen gar nicht kommen, weil sie müde sind. Sie sagten: „Wir hatten so viele Dialogprozesse in Österreich, und jedes Mal ohne Erfolg.“ Ich kann diesen Unglauben und diese Skepsis verstehen. Aber es braucht nur Zeit, bis sich ein paar Themen im Kopf festsetzen. Auch beim Bischof.

Einige Bischöfe in Deutschland erlaubten Laien zu predigen, zu begraben und zu taufen und halfen sogar sofort bei Hochzeiten. Wie siehst du es?

Ich denke, das ist zu einfach. Ich mag es nicht, wenn sie irgendwo lokale Lösungen machen und gleichzeitig nicht versuchen, eine Kirchenlösung für alle zu finden. Ich halte es für eine ungeheure Macht in der Kirche, dass wir Kirchenrecht haben. Auch für experimentelle Bereiche ist es wichtig, klare Regeln zu haben. Und es muss gemäß der Weltkirche geschehen. Aus dieser Sicht ist der synodale Prozess eine große Chance. Gleichzeitig gibt es auch in den Arbeitsunterlagen eine spürbare Spannung. Diese Spannungen gilt es zu diskutieren und als treibende Kräfte zu verstehen, um nicht zu Spaltungen zu führen. Sonst verraten wir unsere Mission.

Wie meinst du das?

Wie können wir an eine Kirche glauben, die sich für Frieden, Solidarität, Gemeinschaft und Gerechtigkeit einsetzt und nicht einmal in der Lage ist, innere Konflikte kreativ zu bekämpfen? Ich denke, wir können anderen ganz im Sinne von Lumen Gentium zeigen, wie es möglich ist, Konflikte und Spannungen in einer gespaltenen Welt zu diskutieren und zu lösen. Gleichzeitig halte ich den Zuhörstil und das Auftreten für sehr wichtig. Wir müssen es üben. Ich denke, das ist auch einer der Gründe, warum Papst Franziskus das Synodenverfahren verlängert hat. Die Synode selbst will Linie II. Vatikanischen Konzil, um einen geistlichen Prozess in Gang zu setzen, in dem wir gemeinsam entdecken, was die Sendung der Kirche im 21. Jahrhundert ist.

Doch der Zugang von Frauen zur Priesterweihe und den damit verbundenen Ämtern ist längst überfällig…

Das Thema Frauen in der Kirche ist auch im synodalen Prozess in Österreich präsent. Dies sollte ein zentrales Thema auf kontinentaler und globaler Ebene sein. Weltweit wird eine stärkere Beteiligung und Entscheidungsfindung von Frauen gewünscht. Ich weiß, dass es im deutschsprachigen Raum vielen wichtig ist, dass Frauen möglichst schnell das Ordinationsamt erreichen. Aber das ist einerseits sicher keine weltweit einheitliche Meinung, und andererseits ist das nicht das einzige Thema, das wir in der Kirche haben. Es gibt auch andere Themen, die wichtig sind.

Welches Thema halten Sie für dringender?

Wir befinden uns in einer globalen Krise. Ökologisch brennt uns der Boden unter den Füßen. Wir erleben Kriege, Umweltkatastrophen, Weltarmut, viele Christen werden verfolgt. Es gibt Menschenhandel, Frauenhandel, Frauen leiden unter Armut. Ich hoffe, wir blicken öfter auf diese Dinge zurück. Ich sitze jetzt in meiner schönen, warmen Wohnung, und anderswo auf der Welt kämpfen Frauen ums Überleben. Das beunruhigt mich mehr als die Frage des Zugangs von Frauen zu kirchlichen Ämtern.

Notwendigkeit III. Vatikanisches Konzil, um dieses Problem zu lösen?

Es gibt keinen Ort. Den zweiten haben wir noch gar nicht ausgefüllt. Es mag hundert Jahre gedauert haben, bis der Rat die Menschen erreicht hat, sagen Historiker. Das ist ein langer historischer Prozess. Wir werden noch einige Jahrzehnte brauchen, um einen neuen Vorstand zu schaffen. Aber bis dahin hoffe ich auf einen synodalen Prozess, der weiterhin vom Konzil geleitet wird und an dem sich alle aktiv beteiligen, damit dann in Rom gute Entscheidungen getroffen werden können.

Waren Sie bei der österreichischen Ergebnispräsentation in Rom dabei?

Nicht.

Wenn Sie Papst Franziskus treffen würden, was würden Sie ihm sagen?

Ich würde ihm sagen, dass ich seinen synodalen Prozess und seine spirituelle und kirchliche Ausrichtung sehr gut fand. Ich freue mich auch, dass das Verfahren um ein Jahr verlängert wurde. Jetzt haben wir mehr Zeit, um zu lernen, was Synodalität bedeutet. Und in Rom ist es möglich, alle Dinge zu versammeln, damit die ganze Welt entscheidet. Aber dann muss eine Entscheidung getroffen werden. Wir dürfen nicht den Eindruck bekommen, dass wir nur damit spielen und dann passiert nichts mehr. Denn dann werden wir in große Schwierigkeiten geraten. Die Leute haben uns buchstäblich verlassen. Daher rate ich allen unseren Bischöfen dringend, einen ordentlichen Diözesanprozess einzuleiten, damit der synodale Prozess in Österreich mutig voranschreiten kann. Denn die Bischöfe müssen die „Ermutigung“ der Gläubigen sein.

Interview geführt von Madeleine Spendier. AUS Deutsches Original übersetzt von Pavla Holíková.

Reinhilde Otto

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