Gepostet am 16. September 2022, 07:54Aktualisiert am 16. September 2022 um 17:30 Uhr
Berlin hatte sich seit dem Frühjahr darauf vorbereitet und Anfang des Sommers die rechtlichen Grundlagen geschaffen. Die Koalition von Olaf Scholz hat am Freitag die deutschen Vermögenswerte des russischen Ölgiganten Rosneft endgültig für sechs Monate unter die Aufsicht der Bundesnetzagentur gestellt. Mit der Geschäftsführung ist Christoph Morgen betraut, ebenfalls Nutznießer der insolventen Schiffbaugruppe MV Werften. „Das ist eine weitreichende energiepolitische Entscheidung zum Schutz unseres Landes“, sagte die deutsche Bundeskanzlerin am Freitag vor Journalisten.
Die Tochtergesellschaft Rosneft Deutschland (RDG) und das Unternehmen RN Refining & Marketing (RNRM) repräsentieren 12 % der Ölraffineriekapazität des Landes durch drei Raffinerien, darunter die Hauptraffinerie PCK, die zu 54,2 % im Besitz der russischen Gruppe zusammen mit Shell (37,5 %) und Eni ist (8,3 %) in Schwedt an der polnischen Grenze. Die anderen beiden befinden sich in Karlsruhe im Südwesten Deutschlands und in Vohburg in Bayern. Ihre Funktionsfähigkeit wird kurzfristig durch die Weigerung ihrer Dienstleister bedroht, mit mit Moskau verbundenen Stellen zusammenzuarbeiten.
Zukunftssicherung der Raffinerie Schwedt
Die Bundesregierung hat zudem zugesagt, die Einfuhr von russischem Öl ab Anfang nächsten Jahres einzustellen. Eine Entscheidung, die eine schnelle Diversifizierung der exklusiven russischen Lieferungen nach Schwedt implizierte, an deren Unterstützung Rosneft kein Interesse hatte. Die PCK-Raffinerie versorgt jedoch den gesamten Nordosten Deutschlands mit Mineralölprodukten, einschließlich des Berliner Raums.
Mit dieser regionalen Rückgrataufsicht, bei der die Stimmrechte und Anteile von Rosneft an die Bundesnetzagentur übertragen wurden, „können wir sagen, dass der Standort Schwedt gesichert ist und die Zukunft der Stadt entwickelt wird“, sagte Robert Habeck.
Eine Milliarde Euro mobilisiert die Bundesregierung in den nächsten 15 Jahren für die Region, davon 825 Millionen Euro für Schwedt, um es zu einem neuen Anziehungspunkt in Sachen Ökostrom zu machen.
Niemand muss sich Sorgen machen, seine Rechnungen am Ende des Jahres nicht bezahlen zu können.
Dietmar Woidke Ministerpräsident aus Brandenburg
Unterdessen „sollte sich niemand Sorgen machen, seine Rechnungen bis Jahresende nicht bezahlen zu können“, kündigte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke an. Keiner der 1.200 Mitarbeiter von PCK wird entlassen. Maßnahmen zur Teilarbeitslosigkeit ermöglichen auch den Ausgleich von Lohnausfällen in den Jahren 2023 und 2024. Sicherheit ist wichtig in einer Region, in der die extreme Rechte gedeiht und in der die Umstrukturierung durch die Wiedervereinigung die Bevölkerung traumatisiert hat.
Nachschub sichern
Außerdem ist noch nichts gewonnen, weil dieses Vertrauen die technischen Herausforderungen, die die Ablehnung des russischen Öls darstellt, nicht beseitigt. Um die Raffinerie Schwedt ohne die Anbindung der Druschba-Pipeline an Russland betreiben zu können, ist eine Nachschubsicherung erforderlich.
Dazu musste die nur im Notfall genutzte Leitung zwischen Rostock in Norddeutschland und Schwedt für Zwangsmärsche ausgebaut werden. Das ist eine Investition von 400 Millionen Euro, die von Berlin finanziert werden soll.
Gleichzeitig verhandelt die Koalition mit Polen über die Verschiffung von Kohlenwasserstoffen aus dem Danziger Hafen. Bisher hat sich Warschau geweigert, sich zur Lieferung von Kohlenwasserstoffen zu verpflichten, die die Kassen des russischen Konzerns füllen würden. Auch mit Kasachstan laufen Verhandlungen. „Für diese Region wurden wichtige Schritte unternommen. Ich kann nicht versprechen, dass der Rest der Straße glatt und angenehm wird, aber es ist ein positives Zeichen“, sagte Dietmar Woidke abschließend.
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