Ein Jahr nach dem Hochwasser in Deutschland: Fragezeichen und die Wut der Opfer

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Wo letztes Jahr tonnenweise Schutt, umgestürzte Autos, Treibholz und zertrümmerte Fachwerkhäuser lagen, ist jetzt nur noch Ebene. Das Wahrzeichen bleibt der Turm der Umspannstation, der das Hochwasser überstanden hat.

Teil der Stadt Schuld mit Trafostationen letztes Jahr und diesen Sommer:

Schwere Überschwemmungen haben in der vergangenen Nacht vom 14. auf den 15. Juli das Dorf Schuld überschwemmt. Das in der Schlucht der Ahr gelegene Dorf ist zu einem der Symbole der Flutkatastrophe in Westdeutschland geworden. Wie durch ein Wunder kam hier niemand ums Leben.

Vorjahresbericht aus der betroffenen Stadt Schuld:

Auf dem neunzig Kilometer langen Weg verwandelte sich der Fluss schnell in ein räuberisches Element. Im Landkreis Ahrweiler werden Häuser und Brücken benötigt. 134 Menschen starben dort. Auch in anderen Teilen der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sowie in Belgien und Luxemburg starben Dutzende Menschen.

Nach mehreren Unwettern zogen Mitte Juli vergangenen Jahres heftige Regenfälle über die Eifel. Der gesättigte Boden hielt den Dauerregen nicht mehr stand und die Fließgeschwindigkeit von Flüssen und Bächen stieg schnell um mehrere Meter an. Allein am 14. Juli regnete es im Ahrtal mehr als sonst im ganzen Monat.

In Deutschland war es eine Katastrophe beispiellosen Ausmaßes und wurde als „Jahrhundertflut“ bezeichnet.

Liste der Nachrichten aus dem letzten Jahr, die unmittelbar nach dem Hochwasser das Ahrtal besuchten:

Die hohe Opferzahl wurde auf die Geschwindigkeit der Elemente zurückgeführt, die wie eine Flutwelle durch das Tal zogen, aber auch auf das Versagen staatlicher Behörden – insbesondere deren Kommunikation sowie rechtzeitige Warnungen der Bevölkerung.

Die Menschen wurden zu spät oder gar nicht gewarnt und wenige wurden evakuiert. In der Gemeinde heulen keine Sirenen, Notrufe funktionieren nicht und Rettungssysteme sind überlastet.

Der Untersuchungsausschuss des Landtags in Rheinland-Pfalz versucht seit vergangenem Oktober, den Fehler aufzudecken. Er hatte etwa 150 Zeugen gehört, darunter den Ministerpräsidenten der Provinz Scham Dreyer und Innenminister Roger Lewentz, beide Sozialdemokraten.

Der Füllstandsanzeiger wird vom Wasser unbemerkt mitgerissen

Aus Aufzeichnungen der Regierungskommunikation geht hervor, dass Dreyers Kabinett sich des Ausmaßes der Katastrophe zu einem kritischen Zeitpunkt nicht bewusst war. Die Regierung spricht über die Verantwortung der Kommunal- und Bezirksregierungen und schließlich darüber, dass sie eine so große Katastrophe nicht alleine und vor Ort bewältigen können. All das sorgt für Chaos in der Rettungsführung und Krisenkommunikation.

In der Stadt Altenahr beispielsweise erreicht die Höhe der Ahr normalerweise einen halben Meter. In der Schicksalsnacht von Mittwoch auf Donnerstag, den 15. Juli, zeigte die Messstation eine Höhe von 5,75 Metern an. Die Messung stoppt bei diesen Daten. Weil der Strom ausfällt und der Höhenmesser mitsamt dem Gebäude, in dem er steht, Strom aufnimmt.

Ortsteil der Stadt Altenahr – Kreuzberg mit der gleichnamigen Burg. Bilder vom letzten Sommer und diesen Sommer.

Schätzungen zufolge stieg die Ahr schließlich auf über sieben Meter. Einige Häuser verloren auch ihre Dächer. An einigen Stellen kann der Flusspegel höher sein, da sich Trümmer ansammeln und Bäume die Brücke und damit den Wasserabfluss blockieren.

Erst zwei Stunden später stellte der Krisenstab des Kreises Ahrweiler fest, dass sich die Wasserstandsdaten nicht mehr änderten. Es dauerte eine weitere Stunde, bis die höchste Warnstufe und eine Teilevakuierung angekündigt wurden. Aber es war zu spät und nicht genug. Vielerorts mussten Menschen auf den Dächern ihrer Häuser Zuflucht suchen.

Hochwasser im Juli 2021

Überschwemmungen in Westdeutschland, Ostbelgien und Luxemburg im vergangenen Juli töteten mehr als 200 Menschen.

134 Menschen starben im Ahrtal. Hunderte weitere wurden verletzt und Tausende obdachlos.

Die Überschwemmungen verursachten in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz Schäden in Höhe von 30 Milliarden Euro, umgerechnet 738 Milliarden Kronen.

Die Ahr hat 103 Brücken weggeschwemmt oder beschädigt. 29 Schulen und fünf Krankenhäuser wurden beschädigt.

Gegen Jürgen Pföhler von der CDU wird seit Monaten wegen des Verdachts auf verspätete Warnungen und Evakuierungen von der Staatsanwaltschaft des Kreises Ahrweiler ermittelt.

Er fotografiert gerne und dann verschwindet er

Pföhler verweigerte die Aussage vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Zeugenaussagen gehen jedoch davon aus, dass er in der Nacht „mehr oder weniger verschwunden“ sei. Sie sahen ihn nur kurz in der Einsatzzentrale, als er ein Foto mit dem Landesinnenminister machte, und er telefonierte nicht einmal.

Darüber hinaus befinden sich die Einsatzzentralen in den am stärksten betroffenen Gebieten in Kellern, wo das Mobilfunksignal schlecht ist. Auch Krisenpläne fehlen.

Pföhler beendete seinen Posten im vergangenen Herbst mit seiner Pensionierung.

SWR-Server erinnerndass der Untersuchungsausschuss des Landtages politisch sei und seine Mitglieder eindeutig versuchten, Ministerpräsident Dreyer und Innenminister Lewentz aus dem Rampenlicht zu halten und die Aufmerksamkeit nicht auf die Landes-, sondern auf die Bezirks- und Gemeindeebene zu lenken.

Vorjahresbericht News List aus der betroffenen Stadt Altenburg:

Das Komitee soll im Oktober auch Zeugen befragen. Der Abschlussbericht wird in diesem Jahr möglicherweise nicht veröffentlicht.

Rücktritt des Bundesministers

Die einzige politische Auswirkung der Ausschusstätigkeit war laut SWR der Rücktritt der Bundesfamilienministerin Anne Spiegelová, die im vergangenen Juli als Umweltstaatsministerin fungierte. Der Grünen-Politiker war nach der Flut für einen Monat Urlaub in Frankreich und hat während der Flut nicht überzeugend gehandelt, aber er hat sein politisches Image in der Kommunikation mit den Beamten bewahrt.

Allerdings wirkten sich die Überschwemmungen bereits im vergangenen Jahr auf die deutsche Bundespolitik aus, als sie den CDU-Wahlkampf beeinflussten. Der damalige Vorsitzende und Bundeskanzler Armin Laschet wurde vor der Kamera dabei erwischt, wie er hinter dem Bundespräsidenten hysterisch lachte. Er drückte einfach seine Unterstützung für Menschen mit Behinderungen aus.

Laschet war damals Ministerpräsident des ebenfalls stark vom Hochwasser betroffenen Landes Nordrhein-Westfalen.

Eine vergleichende Ansicht von Kreuzberg in Altenburg:

Wöchentlich Fokus, der sich seit dem Hochwasser über die Situation in den betroffenen Gebieten informiert, schrieb auch über die Enttäuschung der Anwohner. Nach der Flut versprachen die Behörden den Menschen schnelle und unbürokratische Hilfe. Doch laut Focus sieht die Realität anders aus.

Flutopfer müssen sich trotz politischer Ankündigungen durch einen Bürokratie-Dschungel kämpfen, unzählige Formulare ausfüllen und mehrere Behörden umgehen. Viele Bewohner des Ahrtals verloren Kraft und Mut und gaben den Kampf um Entschädigung auf. Viele hätten das Geld nicht gesehen, betont das Magazin.

Die Schnelligkeit der staatlichen Hilfen in Rheinland-Pfalz wurde auch von der dortigen Oppositions-CDU kritisiert. Weniger als ein Jahr nach der Katastrophe zahlte die Investitions- und Strukturbank von den zugesagten 15 Milliarden nur eine halbe Milliarde Euro.

Hunderte Menschen demonstrierten vergangene Woche in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz gegen bürokratische Hürden. Ihnen zufolge ist der Auszahlungsprozess der Subventionen zu kompliziert und dauert lange.

Ein Jahr nach den Überschwemmungen wird in Deutschland neben Barzahlungen und der Wiederherstellung von Infrastruktur und Wohnungen eine anhaltende Debatte über den wirksamen Schutz der Bevölkerung vor Naturkatastrophen und die Lehren aus Hochwasser geführt.

Astor Kraus

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