Für die Verteidiger endet mit den Playoffs das Einerlei einer Meisterschaft, die im Voraus weiß, wer gewinnt. Aber ein wichtiger Aspekt wurde bei der Diskussion ausgespart: finanzielle Ungleichheiten zwischen Vereinen. Fast ein Jahrzehnt lang dominierte der FC Bayern München den Streit um die legendäre Silbersalve, die symbolisch für die Eroberung des deutschen Fußball-Meistertitels stand. In den letzten neun Jahren gab es Saisons, in denen die Meisterschaft bereits entschieden war, obwohl noch einige Runden zu gehen sind. So war es zum Beispiel in der Saison 2012/2013, als die Bayern mit einem Sieg gegen Eintracht Frankfurt in der 28. Runde schon lange den Sieg feierten. Die Ergebnisse der verbleibenden sechs Spiele machen im Titelrennen nicht den geringsten Unterschied, wie etwa der Abstand zwischen dem Tabellenzweiten Borussia Dortmund und dem Tabellenführer. Übrigens ist dies der Titel, mit dem die aktuelle Siegesserie von neun Spielen begann, und erstaunlicherweise wurde nur bei einem dieser Erfolge in der letzten Runde eine Entscheidung getroffen. 2018/2019 betrug die Differenz zwischen Meister und Vizemeister (Borussia Dortmund) schließlich nur noch zwei Punkte. Obendrein gibt es in der Bundesliga jedes Jahr einzelne Vereinsshows, und alles deutet darauf hin, dass sich diese Geschichte auch dieses Mal wiederholen wird, es sei denn, es passiert ein Unfall oder vielleicht ein Wunder. Und es gibt ein Wunder! Play-offs gegen den Einerlei Dass die wuchernde Langeweile im Titelkampf den deutschen Fußball sportlich und vertrieblich auf Kosten bringt, ist unbestreitbar. Diese Monotonie ist Gift für ein Produkt namens Bundesliga, das in Dutzenden von Ländern im Fernsehen und neuerdings auch im Internet über Streaming-Plattformen verkauft wird. Angesichts dieser Situation verwundert es nicht, dass in Deutschland Stimmen für eine Wende im Meisterschaftsstreit laut werden. Das Ziel ist es, es wettbewerbsfähiger zu machen und bis zum Ende mit starken Emotionen zu füllen. Eine der aufgeworfenen Thesen ist, dass ein Playoff mit den ersten vier Mannschaften der Rangliste am Ende der Meisterschaft eine neue Dimension sowohl in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit als auch in Bezug auf die Emotionalität bieten kann. Laut Verteidigern dieser Idee wird es gerade deshalb zu einem deutlich härteren Kampf um die ersten vier Tabellenplätze kommen, weil ein sofortiger Kampf um den Titel in Aussicht gestellt wird und folglich das Einerlei der laufenden Meisterschaft dort enden wird, wo es ist bereits im Voraus bekannt, wer der Champion sein wird. Die kürzlich vereidigte Vorstandsvorsitzende der Deutschen Fußball Liga (DFL), Donata Hopfen, sagte: „Für mich gibt es keine heilige Kuh. Wenn Playoffs uns helfen können, die Liga interessanter zu machen, dann reden wir über Playoffs.“ Oliver Kahn, neuer Vorstandsvorsitzender des FC Bayern, sagte im Kicker-Interview: „Ich finde es interessant, über ein neues Wettbewerbsmodell für die Bundesliga nachzudenken, wie die Playoffs. Hier beim FC Bayern sind wir immer offen für neue Ideen.“ Unterstützer, die gegen den Gegenwind demonstrieren, sind ebenfalls aufgeflogen. Es wurde eine Umfrage mit mehr als 120.000 Nutzern des Kicker-Portals durchgeführt. Von den Befragten waren 63 % gegen und 37 % für die Play-offs. Christian Seifert, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Liga, hat sich 2020 dazu geäußert: „Die Playoffs in der Bundesliga werden eine kulturelle Kluft sein und die Annahme dieses neuen Modells wird eine große Unterstützung von Vereinen und Fans erfordern.“ Die Allianz der Unterstützer der Unsere Kurve erklärt: „Wir brauchen kein neues Format und zusätzliche Turniere, deren Ziel es ist, mehr Geld zu sammeln. Was wir brauchen, sind regulatorische Normen, die die Integrität und Fairness des Wettbewerbs gewährleisten. “ Finanzielle Ungleichheit Im Streit um die deutsche Meisterschafts-Langeweile gibt es einen Aspekt, der meiner Meinung nach übersehen wird. Es geht um finanzielle Ungleichheit zwischen Bundesligisten. Am Tabellenende tummeln sich Greuther Fürth und Arminia Bielefeld, die für die Saison zwischen 30 und 35 Millionen Euro erhalten. Am anderen Ende, an erster Stelle, steht der FC Bayern, der fast das Dreifache bekommt – 88 Millionen Euro. 125 Millionen Euro bekam der FC Bayern aber trotzdem für seine Champions-League-Teilnahme. Das aktuelle Konto des Deutschen Meisters enthält nicht den Wert der an Fans verkauften Sponsoren, Tickets und Kleinigkeiten. Das ist eine unglaubliche Menge, von der selbst kleine Vereine nicht zu träumen wagen. Die englische Premier League kann ein Vorbild für den deutschen Fußball sein. Es wird ein gerechteres Verteilungssystem der TV-Quoten eingeführt als bei der Bundesliga: Der finanzielle Abstand zwischen ersterer und letzterer ist viel geringer. Bis in die 1990er Jahre wurden die TV-Rechte zu gleichen Teilen unter den 18 Bundesligisten aufgeteilt. Zudem können die Gelder, die den Europapokal-Teilnehmern aus Deutschland zustehen, teilweise von der Liga unter allen Klubs der höchsten Spielklasse aufgeteilt werden. Warum nicht zumindest das verwendete Finanzmodell überdenken? Der Geldfluss im deutschen Fußball muss radikal verändert werden, denn solange die eklatante finanzielle Ungleichheit anhält, wird es nicht genügend Playoffs geben, um die Meisterschaft attraktiver und wettbewerbsfähiger zu machen. Wie wir gesehen haben, ist das Loch weiter unten. _______________ Gerd Wenzel begann 1991 mit dem Sportjournalismus bei TV Cultura in São Paulo, als die Bundesliga zum ersten Mal in Brasilien ausgestrahlt wurde. Er war von 2002 bis 2020 beim Sender ESPN als deutscher Fußball-Experte tätig, als er für OneFootball Berlin Bundesliga-Spiele kommentierte. Wöchentlich donnerstags produziert er den Podcast „Bundesliga no Ar“. Am Dienstag erschien die Halbzeit-Kolumne. Der Text gibt die Meinung des Autors wieder, nicht unbedingt die der DW. Autor: Gerd Wenzel
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