„Die deutsche Wirtschaft ist durchaus in der Lage, die notwendigen Anpassungen vorzunehmen“

Ulrike Malmendier, Professorin in Berkeley, ist seit Herbst 2022 Mitglied im Rat der deutschen Wirtschaftswissenschaftler, den „Weisen“, einer Gruppe von fünf Experten, die Regierung und Bundestag in Wirtschaftsfragen beraten.

Mit dem Krieg in der Ukraine, der Energiekrise, der Inflation, Fragen des Freihandels, geopolitischen Unruhen entsteht der Eindruck, dass das „deutsche Modell“, wie es 2010 erfolgreich funktionierte, an seine Grenzen gestoßen ist. Sind Sie besorgt über die Fähigkeit Deutschlands, diese neue Herausforderung zu meistern?

Das ist in der Tat eine große Herausforderung für die deutsche Wirtschaft. Einige dieser Faktoren, wie beispielsweise die Inflation, sind jedoch aufgrund der umgesetzten Geldpolitik vorübergehender Natur. Im Hinblick auf geopolitische Störungen hoffe ich, dass wir auf der Grundlage internationaler Handelsabkommen ein neues wirtschaftliches Gleichgewicht finden können, das es ermöglicht, einseitige Abhängigkeit zu vermeiden und gleichzeitig einen intensiven wirtschaftlichen Austausch zwischen den Ländern sicherzustellen. Aber es gibt auch langfristige Herausforderungen, wie zum Beispiel höhere Energiepreise in Deutschland im Vergleich zu den USA oder anderen europäischen Ländern.

Meiner Meinung nach stellen diese Herausforderungen das „deutsche Modell“ weniger in Frage als die aktuelle Zusammensetzung der Industrieproduktion des Landes. In den kommenden Jahrzehnten werden auch andere Branchen der Vergangenheit hohe Wachstumsraten verzeichnen, etwa die Umwelttechnologie und die künstliche Intelligenz. Ich denke, dass die deutschen Wirtschaftsentscheider durchaus in der Lage sind, die notwendigen Anpassungen vorzunehmen. Was mich ein wenig beunruhigt, ist, dass dieser Prozess zu langsam abläuft. Deutschland tendiert dazu, an der alten Industriestruktur festzuhalten, auch wenn klar ist, dass ein tiefgreifender Wandel nötig ist. Ein gutes Beispiel ist die Automobilindustrie.

Wir sprechen oft von „deutscher Resilienz“, die sich durch Konsensfähigkeit, durch effektiven gesellschaftlichen Dialog, durch bürgerliche Solidität, durch Rechtssicherheit, durch Ideenreichtum und mittelständische Flexibilität auszeichnet. Sind diese Inhaltsstoffe heute noch wirksam?

Diese deutsche Definition von Resilienz gefällt mir sehr gut und ich denke, sie wird in den kommenden Jahren wichtiger denn je sein. Ich werde oft gefragt, was die aktuelle wirtschaftliche Attraktivität Deutschlands ausmacht. Das ist genau das Kriterium, auf das Sie sich beziehen. Diese Widerstandsfähigkeit müssen wir auf einem hohen Niveau halten und um jeden Preis verteidigen.

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Senta Esser

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