„Deutschland im jahr 2024 ist ein Land, das sein altes Wirtschaftsmodell beibehalten möchte“

ICHVor zwanzig Jahren galt Deutschland für viele als der kranke Mann Europas. Belastet durch die Haushaltskosten der schlecht gemanagten Wiedervereinigung verzeichnete das Land ein schleppendes Wachstum und hohe Arbeitslosenquoten. Die wirtschaftliche Malaise war so schwerwiegend, dass sie schließlich zu einem politischen Konsens über die Notwendigkeit von Strukturreformen führte. Die Agenda 2010 von Bundeskanzler Gerhard Schröder sah eine deutliche Kürzung des Arbeitslosengeldes vor und ging mit Lohndämpfungsmaßnahmen einher. Der boomende Exportschub von Investitionsgütern nach China zeigte Wirkung: Die deutsche Wirtschaft erholte sich und wurde zum Maßstab für gute Wirtschaftsführung in Europa.

Seitdem hat sich der Wirtschaftsdummstock auf andere Länder verlagert. Zuerst nach Griechenland, dann nach Italien und in jüngerer Zeit nach Großbritannien nach dem Brexit. Allerdings hatte Deutschland, so die anhaltende Debatte jenseits des Rheins, wieder einmal die Nase voll von seiner Wirtschaft.

Der geliebte und oft bewunderte Industriesektor zeigt seit einiger Zeit Anzeichen dafür, dass ihm die Kraft ausgeht, während es der stärker dienstleistungsorientierten Wirtschaft Europas besser geht. Das Wirtschaftswachstum ist in Deutschland schwächer und die Inflation höher als in anderen europäischen Ländern. Und nicht viele Menschen glauben, dass dies ein einfacher Zufall ist. Die deutsche Wirtschaft steht am Scheideweg großer Veränderungen in der Weltwirtschaft, die jeweils eine große Herausforderung für das bislang gut funktionierende Wirtschaftsmodell darstellen.

Amerikanische Konkurrenz

Erstens gerät das exportorientierte Wachstumsmodell nun ins Wanken. Die Globalisierung ist nicht zu Ende, sondern hat aufgehört, sich weiterzuentwickeln. Die meisten großen Volkswirtschaften neigen dazu, zu schließen. Das Wachstum in China, einem der wichtigsten Kunden Deutschlands, hat sich verlangsamt, höchstwahrscheinlich dauerhaft.

Zweitens bedeutet die gleichzeitige Beendigung der billigen russischen Gasimporte und der Atomstromerzeugung, dass das Land dringend auf erneuerbare Energiequellen zurückgreifen muss, um seinen industriellen Energiebedarf zu decken. Deutschland muss akzeptieren, dass es ein Industriestandort bleiben will, dafür aber nicht mehr auf billige fossile Brennstoffe zurückgreifen kann.

Drittens betritt ein mächtiger neuer Konkurrent aus dem postfossilen Industriezeitalter, unterstützt von einer einfallsreichen Regierung, die Arena: die Vereinigten Staaten. Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte kürzlich, dass der Inflation Reduction Act (IRA) der Biden-Regierung mit den enormen Subventionen, die er für die Reindustrialisierung Amerikas bereitstellte, nichts weniger als ein „Wirtschaftskriegserklärung“.

Sie haben noch 54 % dieses Artikels zum Lesen übrig. Das Folgende ist nur für Abonnenten.

Senta Esser

"Internetfan. Stolzer Social-Media-Experte. Reiseexperte. Bierliebhaber. Fernsehwissenschaftler. Unheilbar introvertiert."

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert