Der Kampf um die Atomkraft kam bis zur letzten Minute – die FDP wollte Atomkraftwerksreserven

BERLIN (dpa-AFX) – Tage vor der Abschaltung von Deutschlands letztem Atomkraftwerk ist die Unzufriedenheit über eine seit langem beschlossene Maßnahme nicht abgeklungen. Kritik kommt weiterhin von Unternehmen, aber auch von der FDP. Mindestens drei Atomkraftwerke wollten die Liberalen in Reserve halten und nicht gleich abreißen. Auch der TÜV hält eine Abkündigung für unnötig. Der frühere grüne Umweltminister Jürgen Trittin, der an den Verhandlungen zum ersten Atomausstieg teilgenommen hatte, verteidigte ein endgültiges Ende der Atomenergie in Deutschland.

Am Samstag mussten die drei verbliebenen Atomkraftwerke – Isar 2 in Bayern, Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg – in Deutschland endgültig abgeschaltet werden. Eigentlich hätte es Ende letzten Jahres passieren sollen. Aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der daraus resultierenden Energiekrise hatte die Koalition „Ampel“ im vergangenen Jahr jedoch beschlossen, den Reaktor über den Winter laufen zu lassen.

Daher soll am 15. April die Nutzung der Kernenergie im Land nach rund 60 Jahren eingestellt werden. 2002 beschloss die rot-grüne Regierung, Atomkraftwerke nach einer „normalen Lebensdauer“ von 32 Jahren pro Anlage zu beenden. Neubau ist nicht mehr erlaubt. Acht Jahre später verlängert die Koalition aus CDU/CSU/FDP erneut die Lebensdauer von Kraftwerken. Doch nach der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen endgültigen Atomausstieg durchgesetzt.

Atomkraft hat keine Zukunft, sagte Ex-Umweltminister Trittin dem Tagesspiegel (Mittwoch). Derzeit ist Atomstrom vier- bis fünfmal teurer als Strom aus Solar- und Windkraftanlagen. Weltweit werden weniger als fünf Prozent der Energie durch Kernkraft erzeugt. „Atomkraft ist eine technologische Nische“, sagte der Umweltminister von 1998 bis 2005.

Der Vizepräsident der FDP, Wolfgang Kubicki, kritisierte dagegen scharf den Atomausstieg. „Die Stilllegung des weltweit modernsten und sichersten Atomkraftwerks in Deutschland ist ein dramatischer Fehler, der für uns noch schmerzhafte wirtschaftliche und ökologische Folgen haben wird“, warnte Kubicki in der Mediengruppenzeitung Funke (Mittwoch).

Die FDP wirbt nun dafür, mindestens drei Atomkraftwerke in Reserve zu halten und nicht sofort mit dem Abriss zu beginnen. „Wir können ihn im Falle einer schwierigen Situation neu starten“, sagte Fraktionsvorsitzender Christian Dürr gegenüber dem Nachrichtensender ARD. „Das ist völliger Unsinn“, kommentierte Trittin die Idee. Die Rechtslage lasse es nicht zu, sagte er.

Wie andere Wirtschaftsverbände kämpfen auch KMU mit dem Atomausstieg und befürchten negative Folgen für die Wirtschaft. „Atomstrom war bisher relativ günstig und versorgungstechnisch am sichersten“, sagte Markus Jerger, stellvertretender Geschäftsführer des UKM BVMW, der Funke-Zeitung. Deutschland hat derzeit die höchsten Energiepreise der Welt. „Damit sind mehrere Sektoren in die Knie gegangen. Einige unserer Mitglieder sind bereits von den Strompreisen getroffen worden“, klagte Jerger. Er forderte, „die Versorgungssicherheit und insbesondere die Bezahlbarkeit von Strom im Auge zu behalten“.

Die CDU-Wirtschaftsratsvorsitzende Astrid Hamker nannte die Abschaltung des Atomkraftwerks eine „schwere Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland“. Die Einstellung der Geschäftstätigkeit habe die Strompreise für Unternehmen erhöht, sagte Frau Hamker gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Mittwoch). Demnach befürworte die Bundesregierung einen „weiteren Wissensabbau und den Verlust sicherer Industriearbeitsplätze“.

Aus Sicht von TÜV-Stellvertreter Joachim Bühler könnten die drei Kernkraftwerke „bis Ende des Jahrzehnts sicher weiterbetrieben werden“. „Die Anlagen sind in einem hervorragenden Zustand“, sagte Bühler der „Bild“-Zeitung (Mittwoch). Sie wurden 1988 und 1989 in Betrieb genommen und für eine Mindestlebensdauer von 40 Jahren ausgelegt. „Aus sicherheitstechnischer Sicht können die drei Kernkraftwerke bei regelmäßiger Wartung und entsprechenden Sicherheitsüberprüfungen noch einige Jahre in Betrieb sein“, sagte Bühler./shy/DP/zb

Rafael Frei

"Gamer. Organizer. Hingebungsvoller Bier-Ninja. Zertifizierter Social-Media-Experte. Introvertiert. Entdecker."

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert