1959 wurde das Neujahrskonzert mit seiner ersten Fernsehübertragung zu einem internationalen Ereignis. Die erste Farbsendung war ein Jahrzehnt später; 1972 das erste in Übersee. Und seit 1980 werden die Neujahrskonzerte abwechselnd von internationalen Dirigenten aufgeführt – eine Entscheidung, die der globalen Bedeutung des Festivals Rechnung trägt.
Doch die prägende Phase der Neujahrskonzerte – die NS-Zeit – wurde im In- und Ausland erst im letzten Jahrzehnt thematisiert. Heute sind diese Jahre auf der Website der Philharmonie ausführlich dokumentiert. Gerade die internationale Musikgeschichte kann einen wichtigen Beitrag zur kritischen Auseinandersetzung mit der Rolle Österreichs im Nationalsozialismus, Zweiten Weltkrieg und Holocaust leisten.
So veröffentlichte Clemens Hellsberg, Präsident der Wiener Philharmoniker, 2013 nach langer Vorarbeit eine kritische Dokumentation über das Orchester und beauftragte ein Team von Historikern – mich eingeschlossen – mit einer eingehenden Untersuchung der Orchestermitglieder. Orchester, die verfolgt, getötet oder ins Exil getrieben wurden. 2014 folgte die internationale Konferenz „Vienna Art: a proud history, a pain past“.
Künstlern, die das Dritte Reich aus dem Weg geräumt hat, wird mit einem Stein an ihrem letzten Wohnort gedacht, den Daniel Froschauer, Präsident der Philharmonie, am 23. März der Öffentlichkeit übergeben wird. Deshalb möchte das Orchester 2023 nicht nur die reiche Tradition, sondern auch die Friedensbotschaft verbreiten.
Oliver Rathkolb ist Professor für Zeitgeschichte an der Universität Wien in Österreich und Präsident des Instituts für Kultur- und Zeitgeschichte in Wien und des Akademischen Komitees des European History House in Brüssel.
Lydia Rathkolb leistete einen Forschungsbeitrag.
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