Deutschland testet seine Energiepolitik

Mehr als jede andere große EU-Wirtschaft ist Deutschland auf Energieimporte aus Russland angewiesen. Um seine Sanktionspolitik gegen den Kreml aufrechtzuerhalten und gleichzeitig seine Geschäfte und Haushalte überwintern zu lassen, muss Deutschland jetzt dringend handeln. Ernst Stetter, Sonderberater des Präsidenten der Jean-Jaurès-Stiftung für Europa, analysiert die Herausforderungen der deutschen Energiewende.

Wie überzeugt man die Deutschen vom Energiesparen? Generalsekretär der SPD und ehemaliger Vorsitzender der Jungsozialisten, Kevin Kühnertweigert sich, seine Mitbürger anzuweisen, durch tägliches Baden Energie zu sparen, und erklärt, dass er es befremdlich und unangebracht finde, dass jemand mit einem fünfstelligen Monatseinkommen sich solche Ratschläge erlaube.

Ministerpräsident von Baden-Württemberg, die Grünen Wilfried Kretschmann, und schlägt dabei mit einer gewissen Ironie vor, den Waschlappen öfter zu benutzen als zu duschen. Bundeswirtschaftsminister, Robert Habeck, ebenfalls von Greens, empfiehlt die Installation eines wassersparenderen Duschkopfs. Inzwischen sind die Vizepräsidenten des Bundestages die Liberalen Wolfgang KubickIch frage mich, ob die Gaspipeline Nord Stream 2 nicht endlich eröffnet wurde.

Angesichts der Energiekrise, die dieses Land getroffen hat, spiegelt die Verbreitung unvollendeter Ideen eine Form der Ohnmacht seitens der Regierungskoalition wider. Welche Möglichkeiten hat das Land im Winter ohne russisches Gas?

Management der Reduzierung des Gasflusses in Russland

Die Realität ist unbestreitbar: Jeder sollte sich mehr anstrengen, um Energie zu sparen, denn Deutschland ist nicht bereit für diesen Winter. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums wird der Gasverbrauch in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um 15-20 % gesenkt.

Diese Zahl ist jedoch nicht spezifisch für Deutschland: Sie steht im Einklang mit den Sparzielen, auf die sich die Mitglieder der Europäischen Union (EU) Ende Juli bei den Verhandlungen über ihre Gas-Notfallpläne für diesen Winter geeinigt hatten.

Deutschland ist jedoch das am stärksten von der Krise betroffene europäische Land. Vor dem russischen Angriff auf die Ukraine stammten die Hälfte der deutschen Gas- und Kohleimporte sowie ein Drittel des Öls aus Russland. Allerdings hat die Regierung die geplante Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 2 vor dem russischen Gaskonzern Gazprom ausgesetzt, der das Gas importiert. durch Nord Stream 1 hat im Juni beschlossen, die Transportmengen drastisch zu reduzieren. Nach einer zehntägigen Wartung im Juli, bei der kein Gas durch die Ostsee-Gaspipeline floss, reduzierte der russische Konzern den Durchfluss erneut. Daher macht der Gastransport derzeit nur 20 % seiner maximalen Kapazität aus. Die Situation könnte sich verschärfen: Eine weitere Wartung wurde von Gazprom für Anfang September angekündigt, was die Gefahr einer vollständigen Unterbrechung der Gaslieferungen aus Russland in Winternächten erhöht.

Seit Beginn des Krieges des Kremls gegen die Ukraine versucht die Bundesregierung, eine Alternative zu Energieimporten aus Russland zu finden. Bezogen auf Bundesministerium für Wirtschaft, Russlands Gasanteil an den Lieferungen des Landes ist inzwischen von über 50 % auf 26 % gesunken. Das Ziel ist nun aber, Deutschland vollständig unabhängig von russischen Gasimporten zu machen. Laut Wirtschaftsministerium wird dies nicht vor dem Sommer 2024 möglich sein. Dieses Datum stellt bereits ein sehr, sogar zu optimistisches Ziel dar.

Finden Sie Ihre eigene Energiealternative

Wenn diese Wende in der deutschen Energiepolitik die Suche nach neuen Lieferanten erfordert, wird die Unabhängigkeit des Landes auch durch den Ausbau erneuerbarer Energien erreicht.

EIN Kolumnist für Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) fragt sich in diesem Zusammenhang, ob die deutsche Energiepolitik nicht heuchlerisch ist. Angesichts des doppelten Kontexts von Sicherheits- und Klimakrise ist es schwer zu verstehen, was die Bundesregierung rechtfertigt, keine neuen Brennstäbe für die drei noch in Betrieb befindlichen deutschen Kernkraftwerke zu beschaffen, die voraussichtlich einen erheblichen Teil der deutschen Stromversorgung ausmachen werden Verbrauch. Anstatt die Stromerzeugung auszubauen, verbrennt die Regierung daher lieber Kohle, trotz der klimaschädlichen Auswirkungen dieser Energie. Dito Gasfracturing: Weigert sich Deutschland, es selbst zu praktizieren, importiert es es aus den USA oder Norwegen.

Laut Morton Friedel von der FAZ wäre Deutschlands Energieposition daher zu einfach: Es wäre unhaltbar, sich gleichzeitig gegen Atomkraft, gegen Fracking-Gas und Kohle zu äußern und zu proklamieren, dass ihnen das Klima am Herzen liegt. Problem.

Es Besuch von Bundeskanzler und Vizekanzler in Kanada Geben Sie ein aktuelles Beispiel. Auf der Suche nach Alternativen zum russischen Gas blickte die Bundesregierung auf Kanada, einen rohstoffreichen, demokratischen und langjährigen Freund. Von Kanadiern wird erwartet, dass sie grünen Wasserstoff liefern, eine Technologie, die in Deutschland bereits sehr beliebt ist, dank der früheren Förderung einschlägiger Forschungsprojekte der Bundesregierung in diesem Bereich. Da Strom aus Kohle und Gas jedoch so günstig ist, wurden großangelegte Investitionen in grünen Wasserstoff in Deutschland bisher weitgehend ignoriert. Nachdem Deutschland es versäumt hat, in sein Land zu investieren, ist es nun gezwungen, seine Energie von der anderen Seite des Atlantiks zu beziehen. Gleiches gilt für die Photovoltaik: Hier hat die deutsche Wissenschaft Pionierarbeit geleistet. Trotz dieser technologischen Fortschritte haben verschiedene Bundes- und Landesregierungen Unternehmen in diesem Sektor nicht unterstützt. Das Ergebnis ist bekannt: China hat übernommen und produziert nun, offensichtlich mit staatlicher Unterstützung, im großen Stil für den Rest der Welt.

Gassteuer, umstrittenes Gesetz

Weil es nicht voraussehen kann, muss Deutschland jetzt sofort handeln. Aber es wäre nicht einfach, ganz auf russisches Gas zu verzichten. Daher brauchen Importeure Hilfe, um die hohen Kosten für die Lieferung von Gas aus anderen Ländern als Russland auszugleichen.

Die Parallelen zur Finanzkrise 2008 waren offensichtlich. Ohne staatliche Unterstützung droht wichtigen Unternehmen wie Deutschlands größtem Gasversorger UNIPER der Zusammenbruch. Deshalb hat die Bundesregierung eine Gasumlage eingeführt, die ab dem 1äh Oktober 2022. Die Gebühr beträgt 2,4198 Rappen pro Kilowattstunde und wird vom Gasverbraucher getragen. Diese Subvention für Gasversorger ist ein erheblicher jährlicher Mehraufwand für Haushalte mit durchschnittlichem Verbrauch. Um diese von den Verbrauchern gezahlte Erhöhung auszugleichen, wurde die Mehrwertsteuer von 19 % auf den Gasverbrauch sofort auf 7 % gesenkt.

Viele Stimmen prangern jedoch an, dass deshalb nun die Verbraucher für die jahrzehntelangen Fehler der Politik büßen müssen. Darüber hinaus machen Analysten die Regierung für Pläne verantwortlich, die laut der Zeitung Handelsbatt, vielen deutschen Anbietern nicht wirklich geholfen. Tatsächlich werden UNIPER und GERMANIA allein fast 90 % der Einnahmen erhalten, der Rest wird zwischen Lieferanten mit Hauptsitz in Österreich, der Schweiz und Österreich aufgeteilt sogar ein Unternehmen mit Sitz in Zypern. Unternehmen, die es nicht wirklich brauchen, können also am Ende einen Teil des Geldes einstecken, für das die Verbraucher bezahlen. Tatsächlich wirft diese Situation echte Fragen zur sozialen Gerechtigkeit auf.

So der Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftswissenschaften (DIW), Marcel Fratzscher, halten diesen Plan für einen großen Fehler. Anstelle von Überweisungen an Unternehmen bietet sie stattdessen direkte Hilfeleistungen für Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen an. Konkret wäre es eine individuelle und monatliche „Energie“-Zulage, die über anderthalb Jahre ausgezahlt würde. Die Finanzierung kann seiner Meinung nach mit zusätzlichen Schulden erfolgen, und zwar vorzugsweise durch die Verwendung zusätzlicher Einnahmen im Zusammenhang mit der Erhöhung der Einkommensteuer und der Mehrwertsteuer.

Steigende Gaspreise haben das Potenzial, die Energiekrisenpolitik der Regierung seit dem Herbst erheblich zu stören. Das Risiko ist umso größer, weil dies in einem politischen Kontext geschieht, der aufgrund vieler Meinungsverschiedenheiten in der Regierungskoalition zwischen den Liberalen und der linken SPD und den Grünen angespannt ist.

Während Spanien, Italien und Frankreich umfassende Gesetzespakete zum Schutz der Verbraucher und zur Vorbereitung auf einen Energiewinter auf den Weg gebracht haben, bleibt Deutschland am anderen Ende der Welt in einer Spirale aus Beihilfen, Steuerüberweisungen und Gassuchen gefangen. Anstatt zu handeln, scheint das Land in seine interne Debatte verstrickt zu sein.

Angst vor dem „Wutwinter“ in Deutschland

Es wurde befürchtet, dass eine solche Aussicht in Deutschland zu gesellschaftlichen Umwälzungen, sogar zu einem „Wutwinter“ führen würde. Bundeskanzler Olaf Scholz versuchte bei seiner Sommer-Pressekonferenz die Lage zu beruhigen, indem er sagte, er glaube nicht an Unruhen.

Dennoch sei der Kanzlerin geraten, davon Gebrauch zu machen Richtlinienkompetenzder ihr durch die Verfassung der Republik einhergehenden politischen Orientierungsmacht, sich stärker als echter Lenker einer neuen Energiepolitik mit einer deutlich sichtbaren Komponente sozialer Gerechtigkeit zu positionieren.

Daher sollte die Wahrung des sozialen Friedens und die Unterstützung der einfachsten Schichten der Gesellschaft eine Priorität für Sozialdemokraten sein. Das ist dringend geboten, denn für Populisten – rechts wie links – scheint die Zeit reif zu sein, die Krise zu nutzen, um sich ins Zentrum des politischen Spiels zu stellen. Es geht nicht nur um die deutsche Innenpolitik: Der russische Aggressor will nichts anderes, als Europas größte Volkswirtschaft sich selbst erschießen zu sehen.

Rafael Frei

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