Der russische Präsident Wladimir Putin hat nie offiziell zugegeben, dass sie seine Tochter ist. Ekaterina Tikhonová gilt jedoch gemeinhin als solche, weshalb sie im April auch in die Sanktionslisten der EU und der USA aufgenommen wurde. Doch mit seinem Vater scheint er neben der Abneigung gegen den Westen noch etwas anderes gemeinsam zu haben – die Zeit in Deutschland.
Während Putin zu DDR-Zeiten noch als KGB-Mitglied in Berlin diente, favorisierte Tikhonova Bayern. Zwischen 2016 und 2020 flog er mehr als 50 Mal nach München, wie aus Deutschland stammenden Unterlagen hervorgeht wöchentlich Der Spiegel, der den Besuch detailliert ausgearbeitet hat. Gleichzeitig kritisiert Putin die Russen gerne dafür, dass sie zu viel Zeit im Westen verbringen.
Tikhonova flog mit mehreren möglicherweise bewaffneten Leibwächtern aus den Reihen des russischen Föderalen Schutzdienstes (FSO) ein, der auch den russischen Präsidenten schützt. Laut der Zeitung war Deutschland über diesen Besuch nicht informiert und beachtete ihn nicht einmal.
Immerhin reist der 35-jährige Tikhonov mit seiner Entourage sehr oft zu beliebten Zielen wohlhabender Russen, die bayerische Gastfreundschaft suchen. Aus Dokumenten geht hervor, dass er Zimmer in Luxushotels in der Münchner Innenstadt und am Tegernsee am Fuße der Alpen südlich der Stadt gebucht hat.
Die Suiten, in denen Putins Tochter gelebt haben soll, tragen Namen wie „Sissi’s Lodge“ oder „Duke’s Residence“ und kosten rund 300 Euro (ca. 7.000 CZK) pro Nacht. Gäste genießen in diesen Hotels „absolute Anonymität“.
Prinzessin Putin
Putin spricht in der Öffentlichkeit selten über seine Tochter. Daher gab es Verwirrung sogar über ihre Identität. Weder Putin noch der Kreml haben offiziell bestätigt, dass Jekaterina und Maria Putins Töchter sind.
Neben Tikhonovs Flugaufzeichnungen erhielten die russischen Websites iStories und der deutsche Spiegel auch Zugriff auf E-Mails des russischen Geheimdienstes, aus denen hervorgeht, dass Putins Tochter mit ihrer Familie nach München gezogen ist.
Der Grund, warum sie häufig nach Bayern reist, ist wohl der Mann, mit dem Tikhonov eine langjährige Beziehung hat und offenbar auch eine Tochter hat: Igor Zelenskyj. Der russische Künstler, der trotz gleichen Nachnamens nicht mit dem Präsidenten der Ukraine verwandt ist, war bis April dieses Jahres Intendant des Bayerischen Staatsballetts.
Zelenskyy trat von der führenden Position in der Balletttruppe unter Berufung auf „persönliche Familienangelegenheiten“ zurück. Seinem Rücktritt folgte ein langes Schweigen über den Einmarsch Russlands in die Ukraine.
Route ohne Benachrichtigung
Die häufigen Reisen von Putins Tochter und Gefolge werfen viele Fragen zu Diplomatie und Sicherheit auf. Entgegen der international üblichen Praxis hielt Russland es nicht für erforderlich, die deutsche Regierung über die Reise Tichonows und seiner Leibwächter zu informieren. Abgesehen vom mangelnden Respekt vor Anstand zeige dies, wie wenig Russland die Sicherheit und Interessen Deutschlands achte, stellt der Spiegel fest.
Erstaunlicherweise wussten die deutschen Geheimdienste nichts von der Reise der Putin-Tochter. „Wir sind sehr neugierig auf sie“, sagte ein namentlich nicht genannter hochrangiger Mitarbeiter des deutschen Geheimdienstes.
Aber John Sipher, der frühere Leiter der russischen Operationen der CIA, war nicht allzu überrascht. „Alle Geheimdienste arbeiten im Auftrag ihrer politischen Führer“, sagte er. „Die Politik der (deutschen) Regierung gegenüber Russland lautet: ‚Keine Wellen‘. Niemand an der Macht scheint etwas über Russland herausfinden zu wollen, weil dies zu einer unerwünschten Konfrontation führen könnte. Warum also sollte jemand gegen Putins Tochter ermitteln?‘
Wer hat Einfluss auf Putin?
Wir haben fünf Personen ausgewählt, die Wladimir Putin sehr nahe stehen. Und sie beeinflussen seine Politik gegenüber der Ukraine.
Lange Zeit schenkte fast niemand in Deutschland den Aktivitäten einflussreicher Russen große Aufmerksamkeit. Der von ihnen erworbene Grundbesitz und die von ihnen getätigten Geschäfte gelten als ihr eigenes Privatgeschäft.
Nun sind die Folgen dieser Gleichgültigkeit klar, schreibt Der Spiegel. Die Durchsetzung von Sanktionen gegen Putins Verbündete ist sehr schwierig, weil die Beamten kein klares Bild von ihrem Vermögen haben.
Allerdings hätte Moskau über die Reise von Ekaterina Tikhonova berichten müssen, weil ihre Leibwächter höchstwahrscheinlich bewaffnet waren. Mit hoher Wahrscheinlichkeit habe es wiederholt Verstöße gegen das deutsche Waffengesetz gegeben, sagten Berliner Beamte. Die meisten Experten weisen die Möglichkeit zurück, dass die russischen Wachen unbewaffnet in Deutschland waren.
„Bewaffnete Wachen des russischen Präsidialschutzes sind unbemerkt in Bayern unterwegs, und niemand kümmert sich darum“, beklagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Fiedler. Der Fall sei ein „großartiges Beispiel“ dafür, „dass wir in den letzten Jahrzehnten keine Strategie entwickelt haben, um auf russische Agenten und ihre Aktivitäten zu reagieren. So können wir nicht weitermachen.“
Doch Putins Tochter reiste nicht nur nach Bayern. Laut Flug- und Hotelreservierungsdaten besuchten er und sein Gefolge andere beliebte europäische Reiseziele wie Granada, Mailand, London, Bologna und Kitzbühel.
Wer all diese Reisen bezahlt hat, bleibt unklar. Allein ein Hotelaufenthalt in Bayern kostet zwischen 2018 und 2020 rund 50.000 Euro (ca. 1,3 Mio. CZK).
Darüber hinaus enthüllten die durchgesickerten Daten mehr als 300 Flüge von Tikhonov, hauptsächlich mit der russischen nationalen Fluggesellschaft Aeroflot, aber mehrmals mit Privatjets. Das Dokument erwähnt auch Tikhonovs gefälschten Pass auf den Namen Jekaterina Kuznětsov, von dem die deutschen Behörden offenbar nichts wussten.
Der russische Präsident Putin hat wiederholt öffentlich angebliche westliche Dekadenz angeprangert, aber seine Tochter genießt großzügige Unterstützung aus obskuren Quellen. Der Kreml lehnte es ab, sich zu Fragen deutscher Journalisten zu ihrer Reise und Finanzierung zu äußern.
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