Jetzt, wo der europäische Wirtschaftsmotor zu sinken droht, müssen die einst geschmähten europäischen Länder Deutschland zu Hilfe kommen.
In der Schule war mein Nachbar am Schreibtisch ein verwöhntes, dickes Kind, das immer die perfekte Süßigkeit bekam. Kaugummi, Gummibärchen oder Karamellgummi stehen fast täglich auf seinem Programm. Und ich, armer Teufel, egal wie sehr ich ihn bitte, ich bekomme meistens nur Krümel und mir läuft das Wasser im Mund zusammen, während er neben mir kräftig kaut, aber nicht laut genug, um das Lehrpersonal zu alarmieren. Wenn ich zu stark drücke – und das tue ich oft! – warf er es mir zu, markig: „Du musst nur deinen eigenen Proviant mitbringen“. Aber außer Buttertoast ist nichts in meiner Tasche. Manchmal wird es mit einem extra Stück Wurst garniert, aber nur, wenn genug für alle da ist. Ich habe drei Geschwister mit ähnlichen unerfüllten Bedürfnissen. Mir hat es am Ende nicht geschadet, Bescheidenheit ist keine schlechte Tugend und es ist nie zu früh, sie zu lernen und zu lehren. Aber ist Bescheidenheit wirklich noch eine deutsche Tugend?
Deutschland erinnert mich heute so sehr an meine alten Tage und meinen Schreibtischnachbarn. In der Eurokrise war Deutschland der Moralisierer schlechthin. Zeitung Bild erniedrigten die GIPSI (Griechenland, Italien, Portugal, Spanien und Irland) und drängten sie zu einer strengeren Finanzpolitik, nannten sie faul und beschuldigten ihre Unzuverlässigkeit, während der Staat stark von der Abwertung des Euro profitierte und sich weiterhin mit Karamell füllte Süssigkeit. Gleichzeitig konnte Deutschland dank einer schwachen und damit leichten Währung die Welt mit hochwertigen „Billigimporten“ überschwemmen, und da es keine Inflation gab, begünstigte die unsägliche Lage des Euro sogar die deutschen Steuerzahler. Gleichzeitig schmeichelt Angela Merkel Wladimir Putin und starrt böse auf China, das derzeit Deutschlands Hauptabsatzmarkt ist.
Außerdem waren die Deutschen mit allen bewaffneten Auseinandersetzungen recht zufrieden und zeigten in wichtigen Angelegenheiten eine außerordentliche Zurückhaltung. Empathie taucht nur einmal, fast nebenbei, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise auf, und dann auch nur kurz. Da werden wir am Ende nicht hinkommen, müssen wir heute sagen. Das sage ich sicherlich nicht zum ersten Mal, aber ich möchte es betonen: Diese „Mutter“ behandelt Deutschland wie Zucker, taucht es in die Weichheit und ertränkt es. „Deutsche“ Werte wie Stabilität und Verlässlichkeit wurden unter seinem Regime über Bord geworfen. Angela Merkel ist zur Sklavin der Industrielobbys geworden, insbesondere der Autobranche, von der ein Zweig ebenfalls Millionen von Kunden durch Betrug mit Abgasen betrogen hat. Gleichzeitig wurde Deutschland abhängig von russischem Gas, aber auch von russischem Öl. Und er interpretiert Chinas Autokratie als unbedeutendes Nebenprodukt des Guten und bleibt deshalb bei der Kritik am Regime am Boden. Man darf nicht vergessen, dass China Audi, BMW, Mercedes und „German made“-Motoren schätzt und die Exporteurlobby nicht aufgibt, um gegenüber dem Reich der Mitte nicht den Anschluss zu verlieren. Deshalb ist die deutsche Wirtschaft heute auf russische Rohstoffe angewiesen und auf Märkte, auf denen Menschenrechte verletzt werden. Zum Glück ist er nicht mehr da. Abschied von der Wetterfahnenpolitik? Sie sprechen!
Wer glaubt, dass mit einem Regierungswechsel eine neue und bessere Ära anbrechen wird, in der Deutschland seine Führungsrolle endlich verantwortungsvoller und weniger opportunistisch wahrnehmen wird, der irrt. Die halb grüne, halb neoliberale, dreiviertelsoziale Koalition hat angesichts der aktuellen Turbulenzen all ihre Prinzipien aufgegeben und die Klimaziele mit leisem Wimmern begraben. Kohlekraftwerke, Kernenergie? Nur ein bisschen, die Uhr ist ja für Engpässe.
Und die Ukraine? Wird schließlich (vielleicht eines Tages) einige Panzer aus Pappe und veraltete militärische Ausrüstung erhalten. Das Land braucht jetzt dringend Gas und damit Hilfe, auch wenn sie von ehemaligen Exilanten geleistet wird. Alle müssen jetzt sparen, damit Deutschland im Winter nicht friert. Wir auch, so unser Energieminister. Hallo?
Ich habe mich noch nie in einer Situation befunden, in der mich mein Nachbar am Tisch gebeten hätte, ihm ein Stück von meinem Toast zu geben. Dafür ist er vielleicht zu stolz, aber das ist bei Deutschland nicht der Fall.
Jetzt, wo der europäische Wirtschaftsmotor zu sinken droht, müssen die einst geschmähten europäischen Länder Deutschland zu Hilfe kommen. Es war gut, dass sie sich dazu bereit erklärten, aber eine gute Lektion würde den Deutschen nicht schaden. Sparen, sich selbst bis zur letzten Grenze loswerden, wie man damals von den Griechen forderte. Und was ist das? Langsam fahren und ein für alle Mal die Freiheit loswerden, mit hoher Geschwindigkeit auf der Autobahn zu drehen, wie wir es gerne hätten? Falscher Alarm! Lieber neue Abhängigkeiten schaffen, auch wenn es bedeutet, ein Auge zuzudrücken. Katar, Saudi-Arabien und andere „Verdachtsländer“ werden nun angefahren und Raser subventioniert, bis sie untergehen. Gut, dass wir neutral sind.
Aber ist das wirklich so? Russland glaubt das überhaupt nicht. Wir haben die Gelegenheit verpasst, um jeden Preis Neutralität herzustellen. Russische Steuereinnahmen aus dubiosem Rohstoffhandel oder osteuropäischen Oligarchen sind moralisch schwer zu rechtfertigen, aber immer willkommen, gerade im Kanton Zug, wo ich lebe.
Deshalb haben wir so viel Ärger mit den gegen Russland verhängten Sanktionen. Aber müssen wir wirklich mit dem Strom schwimmen?
Die Schweiz läuft derzeit Gefahr, ihren Mythos der Neutralität zu brechen, einfach weil andere sie schlagen und wir den sogenannten regulierten Welthandel um jeden Preis unterstützen wollen. Das ist eindeutig der falsche Weg. Denn diese Regeln sind schmutziger als wir denken. Die Globalisierung hat es den Reichen ermöglicht, reicher und die Armen etwas weniger arm zu sein, aber das war es auch schon. Von dieser Entwicklung profitieren vor allem Spekulanten an den Finanzmärkten und diejenigen, die noch nicht in Not sind. Wann, wenn nicht jetzt, werden wir endlich unsere Perspektive ändern, zum Beispiel: Wir heben die Füße (vom Gaspedal), wir setzen russisches Gas frei, schmutziges Öl aus dem Nahen Osten, chinesische seltene Erden, Metalle aus Mittelamerika und Diamanten aus Afrikanische Minen? Das wäre doch einmal total geregelt, moralisch vertretbar, oder?
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