Mithilfe geschichtsinteressierter Fans zeichnet das Online-Lexikon des Deutschen Sportmuseums die Notlage jüdischer Pioniere auf dem Platz nach und sendet Botschaften gegen Antisemitismus in die Stadien, aus Dortmund oder auch auf den Weg zur Polizeiakademie Münster, Verein Die Bosse tun alles, um die Spieler zu halten. Als großer Schalke-Fan und Förderer hilft der Unternehmer Leo Sauer, Inhaber einer großen Metzgerei in Gelsenkirchen, indem er Sportlern Führerscheine finanziert und Kuzorra als Fahrer einstellt und so den Spielern ein geregeltes Einkommen auf Schalke ermöglicht. Kuzorra blieb und half dem Verein, sechs Mal die Meisterschaft zu gewinnen. Vergessene Geschichten Viele dieser Geschichten sind, sehr zur Freude der Fans, seit Jahrzehnten in Vergessenheit geraten. Aber sie sind über die Grenzen des Sports und der Stadt hinaus sehr wichtig. Leo Sauer war Jude. Und er wurde ermordet, wie die etwa sechs Millionen Juden, die während des Holocaust ausgerottet wurden. Sauer wurde nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten deportiert und starb kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs nach einem erfolglosen Fluchtversuch aus einem Konzentrationslager auf einem „Todesmarsch“. „Schalke war 1994 das erste Unternehmen, das den Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung in sein Gesetz aufgenommen hat“, sagte Schalke-Mitarbeiter Thomas Spiegel, der an der Recherche zu Sauers Biographie beteiligt war. In den frühen 2000er Jahren wurde eine Studie durchgeführt, die die Notlage aller deutschen Juden in der Nähe des Clubs untersuchte. Zum Beispiel der zweite Präsident, Paul Eichengrün, der 1933 zurücktrat und in die USA fliehen konnte. Oder die Geschichte des talentierten Nachwuchsspielers Ernst Alexander, dessen vielversprechende Karriere ein jähes Ende fand: Die Nationalsozialisten verboten Juden den Eintritt in Sportvereine. Nach Jahren auf der Flucht wurde Alexander 1942 von den Nazis gefangen genommen und später in Auschwitz ermordet. Heute ehrt Schalke 04 mit dem Ernst-Alexander-Preis Menschen, die sich für Integration, Vielfalt und Toleranz einsetzen. Was die Studie auch deutlich macht: „Schalke schützt seine jüdischen Fans nicht“, klagt der Spiegel im Gespräch mit der DW. Fanforschung Wie bei vielen Fußballvereinen sind es vor allem die Fans, die die Erinnerungskultur des Vereins fördern. Im Laufe der Jahre haben sie – am ernsthaftesten seit der WM 2006 in Deutschland – sorgfältig über das Verhältnis von Juden und dem Verein während der NS-Zeit und darüber hinaus gesammelt, als Vereinsmitglieder, als Spieler, als Manager oder als Sponsoren. Das Projekt sieht vor, dass diese Recherchen in der Online-Enzyklopädie des Deutschen Sportmuseums organisiert werden. „Mit diesem Online-Projekt machen wir auf die Not der Pioniere des jüdischen Sports aufmerksam, die ausgegrenzt und getötet wurden, aber so viel zur Entwicklung des Fußballs in Deutschland beigetragen haben“, sagt Museumsleiter Manuel Neukirchner. „Uns ist es auch ein Anliegen, ein dauerhaftes Zeichen gegen die antisemitischen und rassistischen Tendenzen im heutigen Fußball zu setzen.“ Jüdischer Einfluss „Dieses Lexikon soll zeigen, dass die Wiederbelebung des deutschen Fußballs ohne die Juden nicht möglich gewesen wäre“, sagt der Sporthistoriker Henry Wahlig der DW. „Der gesamte deutsche Fußball ist stark von jüdischen Spielern geprägt. Dieses Projekt soll zu einer virtuellen Gedenkstätte für den deutschen Fußball werden.“ Das Lexikon umfasst berühmte Fußballer wie Julius Hirsch, Gründer des Fachmagazins Kicker, Walther Bensemann und Karl Levi. Mehr als 200 jüdische Spieler, Trainer, Partner und Sponsoren wurden katalogisiert, 25 Vereine und Gruppen haben Texte beigesteuert. Das Lexikon muss sich weiterentwickeln, und Schulklassen sollten ermutigt werden, damit zu recherchieren. Damit Geschichten und Schicksale wie Leo Sauer, Ernst Alexander und viele andere endlich – oder erstmals – nacherzählt werden können. Autorin: Olivia Gerstenberger
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