Veröffentlicht am 22. November 2023 um 18:15 Uhr.
„Die dritte Seite des Dreiecks der ersten drei Mächte der Europäischen Union ist weg“, erklären die Befürworter des deutsch-italienischen „Aktionsplans“. Die Vereinbarung wurde an diesem Mittwoch in Berlin zwischen Ratspräsidentin Giorgia Meloni und Bundeskanzler Olaf Scholz unterzeichnet. Das Abkommen war weniger schwerwiegend als die Elysée- und Quirinal-Abkommen, die die bilateralen Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland sowie zwischen Frankreich und Italien regelten.
Aber es soll ebenso ehrgeizig sein und zwei der größten Industriemächte Europas zusammenbringen. Es gibt fünf Bereiche der strategischen Zusammenarbeit, die von Belang sind: Wirtschaft, Außen- und Verteidigungspolitik, Europa, Umweltherausforderungen und Kultur. Es werden Arbeitsgruppen gebildet, um Differenzen zu klären und gemeinsame Positionen zu internationalen Themen festzulegen.
Mehr als zwei Jahre Verhandlungen
Der seit 2021 diskutierte und vom ehemaligen Regierungschef Mario Draghi sehr gewünschte Aktionsplan bietet einen institutionellen Rahmen für die bilateralen Beziehungen. Eine wirtschaftliche und industrielle Zusammenarbeit muss nicht mehr nachgewiesen werden. Gleichzeitig mit der Unterzeichnung des Aktionsplans fand auch ein Forum zwischen führenden Wirtschaftsvertretern beider Länder in Begleitung einer Reihe führender Wirtschaftsvertreter statt.
Deutschland ist Italiens erster Partner. Der Handel auf beiden Seiten der Alpen erreichte im vergangenen Jahr 142 Milliarden Euro, ein Rekord. Auch die italienischen Exporte nach Deutschland erreichten mit 77,5 Milliarden Euro ihren Höhepunkt, was 12 % der Gesamtexporte des Landes entspricht. Letzteres ist wichtig für „Made in Germany“, das im nördlichen Teil der Halbinsel ein wichtiger Cluster mittelständischer Zulieferer ist.
Schließung der Lücke bei den Reformen des Stabilitätspakts
Aber wenn die Stärkung der Beziehungen auch in industriepolitischer Hinsicht erkennbar ist, wird eine Annäherung in europäischen Haushaltsfragen nicht einfach sein. Giorgia Meloni und ihr Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti sind ebenfalls in Berlin und bereiten sich auf den nächsten Ecofin-Gipfel am 8. Dezember in Brüssel vor.
Dies wird ein entscheidender Faktor bei der nächsten Neuverhandlung des Haushaltsstabilitätspakts sein. In Rom befürchten wir einen Sieg der Hardliner in Berlin, die eine strengere Kontrolle über die Haushaltsentwicklung und einen schnelleren Defizitabbau wollen.
„Die alten Regeln sind zu streng und müssen geändert werden“, sagte Giancarlo Giorgetti, der Investitionsausgaben im Zusammenhang mit dem digitalen und ökologischen Wandel sowie Europas Konjunkturpläne aus den Berechnungen ausschließen will. Wenn er auf die Unterstützung seines französischen Amtskollegen Bruno Le Maire zählen kann, ist die Unterstützung seines deutschen Amtskollegen Christian Lindner alles andere als garantiert.
Migrationsdateien
Aus diplomatischer Sicht sind Rom und Berlin perfekt vereint, von der Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland bis zur Unterstützung Israels angesichts der Hamas-Angriffe. Beide Hauptstädte beschäftigen sich weniger mit Migrationsthemen. Die Zahl der in Italien ankommenden Migranten ist seit Jahresbeginn um 103 % gestiegen, während die Zahl der neuen Asylanträge in Deutschland um 67,5 % zunahm.
Für die Koalition von Olaf Scholz ist Einwanderung ein zentrales Thema. Bis 2023 wird die Schwelle von 300.000 Asylanträgen überschritten, während bereits 1,1 Millionen Ukrainer im Land angekommen sind.
Aufnahmezentrum in Albanien
Die Bundesregierung hat sich daher bereit erklärt, die Möglichkeit einer Bearbeitung von Asylanträgen in Drittstaaten zu prüfen. Olaf Scholz ist daher an der Vereinbarung interessiert, die den Bau eines Aufnahmezentrums für Migranten in Albanien durch Italien vorsieht.
Im politischen Bereich muss sich der Kanzler auch mit dem Aufstieg rechter politischer Parteien und der AfD auseinandersetzen, die zur zweiten politischen Kraft in seinem Land geworden ist. Ende Oktober legte seine Regierung einen Gesetzentwurf vor, der die Rückkehr von Flüchtlingen ohne Aufenthaltsrecht erleichtern soll. Giorgia Meloni hat nicht gezögert, die Konvergenz in diesem Bereich zwischen ihrer konservativen und nationalistischen Regierung und der deutschen Exekutive unter Führung einer sozialdemokratischen Kanzlerin hervorzuheben.
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